Ein Video aus einem Naturschutzgebiet kommt Biker-Paar teuer zu stehen | Ride MTB

Ein Video aus einem Naturschutzgebiet kommt Biker-Paar teuer zu stehen

Martin Depauli und Vici Rieser besteigen mit den Bikes den Grossvenediger (3657 m) in Tirol und posten ein Video davon in ihrem Blog. Wenig später flattert ihnen einer Busse von über 6000 Euro ins Haus. Die Zweitinstanz reduziert die Strafe mit einer interessanten Begründung.

«Der Grossvenediger, mein Schicksalsberg!», seufzt Martin Depauli. Er nimmt die Geschichte mit Humor, aber man merkt ihm an, dass ihm das Lachen zwischendurch vergangen ist. Den 3657 Meter über Meer thronenden Gipfel sieht der Tiroler von seiner Terrasse aus. «Ich war schon mehr als 20-mal oben, entweder zu Fuss oder auf Ski. Und seit Jahren diskutierten wir, ob es möglich sei, den Berg an einem Tag mit dem Bike zu besteigen und runterzufahren.»
 
Martin Depauli ist Mountainbike Guide, Fahrtechniktrainer und Touren-Autor. Dass er den Grossvenediger irgendwann in Angriff nehmen würde, war klar. Oder unvermeidlich, je nach Standpunkt.
 
Die Krux ist, dass sich der Berg auf österreichischem Boden befindet, jenem Land, in welchem Mountainbiken im Wald und am Berg ausserhalb offizieller Bike-Routen verboten ist. Hinzu kommt, dass er im Nationalpark Hohe Tauern liegt und teilweise Naturschutzgebiet ist. Das Fahrverbot ist Martin bekannt, als er aufbricht. «Im Frühjahr gibt es Skitourengeher, die mit dem Bike auf der Forststrasse bis an die Schneegrenze heranfahren. Ausserdem habe ich mehrmals Leute mit dem Bike von einer der Hütten runterkommen gesehen und das eine oder andere Foto auf Instagram gab es auch schon. Nie hat jemand deswegen Probleme bekommen. Also haben wir die Tour diesen Sommer einfach gemacht. Wir wollten herausfinden, ob wir es schaffen», beschreibt er den Weg zum Entschluss.
 
Wie schon oft und in unzähligen Touren-Videos (Freeride Inc Austria, Epic Ride Inc.) ist Martin mit seiner Freundin Vici unterwegs. «Uns sind am Grossvenediger viele Leute begegnet, alle fanden es cool, was wir tun, es war total entspannt.» Auch von dieser Befahrung schneidet Martin ein Video und lädt es auf den Youtube-Kanal, der mit über 30'000 Abonnements in der Bike-Community nicht ganz unbedeutend ist.

6600 Euro Strafgeld

Zwei Wochen später gibt es dicke Post: Martin und Vici erhalten eine Busse von 3000 Euro pro Person plus Gebühren von je 300 Euro. Gemäss Tiroler Tageszeitung hat die Verwaltung des Nationalparks Anzeige erstattet. Die Busse verhängt hat die Verwaltung des Bezirks Lienz. «Eine Busse von ein paar hundert Euro hätten wir einfach bezahlt, aber in dieser Höhe haben wir das nicht hingenommen», sagt Martin dazu.
 
Martin Depauli recherchiert und stösst auf verschiedene Fakten, die ihm nicht bekannt gewesen sind. Die Höchststrafe liegt bei 30’000 Euro pro Person. So gesehen sind er und seine Begleiterin noch gut weggekommen. Anderseits seien Leute erwischt worden, die im Naturschutzgebiet mit Skidoos herumgefahren sind. Ihre Busse: je 150 Euro. Auch haben Leute gemäss Martins Recherchen illegal eine Strasse gebaut. Dafür seien sie mit 1000 Euro gebüsst worden. Für ihn steht fest: An den Mountainbikern soll ein Exempel statuiert werden.
 
Das Gericht wertet die Veröffentlichung des Videos als straferschwerend. «Durch die Aufmachung und Bewerbung über die sozialen Medien seien andere Personen zur Nachahmung animiert worden», zitiert die Tiroler Tageszeitung aus dem Urteil, das der Ride-Redaktion nicht vorliegt. Die Gefahr, dass sich nun Heerscharen zum Grossvenediger aufmachen, hält Martin für inexistent. «Nie würden mehr als eine Handvoll Leute pro Jahr ihr Bike 2000 Höhenmeter den Berg hochtragen und einen solchen Weg runterfahren. Und die, die das tun, wissen wie er sich in der Natur zu verhalten haben», ist er überzeugt. In seinem Video habe das Gericht sehen können, dass seine Räder nicht rutschen und er dem Weg nicht mehr Schaden zufüge als Fussgänger.

Gericht: Mountainbiker haben die Natur nicht stärker geschädigt als Wanderer

Den Clip nimmt Martin unmittelbar nach der ersten Busse vom Netz. Als Provokation will er ihn nicht verstanden haben. «Ich will keinen Konflikt. Ich habe mir ganz einfach nichts Böses dabei gedacht.» Gegen die Höhe der Busse legen Vici und er Beschwerde ein und erhalten Recht. Das Landesverwaltungsgericht beurteilt die Strafe von 3000 Euro als überhöht und reduziert sie auf 500 Euro.
 
«Aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichtes ist nicht anzunehmen, dass die Erhaltung der Naturlandschaft in ihrer Vielfalt, Eigenart, Schönheit und Ursprünglichkeit durch die Tat der Beschwerdeführerin erheblich stärker als durch Wanderer, Bergsteiger oder Skitourengeher, die dieselbe Strecke wie die Beschwerdeführerin nutzen, gefährdet wurde», schreibt die Tiroler Tageszeitung. Hingegen ist es für das Landesverwaltungsgericht evident, dass die Benutzung eines Fahrrades geeignet sein könne, anderen Besuchern des Nationalparks Hohe Tauern ein erholsames und eindrucksvolles Naturerlebnis in einer der Natur verträglichen Form zu erschweren.
 
Martin und Vici bezahlen die reduzierte Busse. «Ich werde mich in Zukunft noch genauer informieren, wie die rechtliche Situation ist», erklärt der Bike Guide und Youtuber. «Korrekt wäre, dass an geeigneter Stelle ein Schild steht, auf dem die mögliche Höhe der Busse angegeben ist. Hätte ich diese Information gehabt, hätte ich die Tour am Grossvenediger bleiben lassen.»
 


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