Wir brauchen mehr Rebellen! | Ride MTB

Wir brauchen mehr Rebellen!

Es gibt Mountainbiker, die setzen sich bewusst über Regeln und Normen hinweg, sie leben den zivilen Ungehorsam auf dem Bike-Trail. Für viele sind sie Nestbeschmutzer und schuld an Bike-Verboten. Stimmt nicht, denn genau diese Rebellen haben den Mountainbikesport wesentlich vorwärts gebracht. Ein Plädoyer von Thomas Giger für mehr Trail-Rebellen.

 
Die Mountainbiker in Österreich und Deutschland sind nervös, sie stehen an einem Scheideweg. Die Sportart ist gewachsen, der Nutzungsdruck auf die Trails nimmt zu und aus mancher Amtsstube ertönt der Ruf nach Verboten und Einschränkungen. Vielerorts tun sich pragmatische Mountainbiker zusammen, um ihre Bedürfnisse an den Runden Tisch zu tragen und um handfeste Lösungen auszuhandeln. Vorbildlich!

Und dann gibt es Personen, die sich zum Beispiel über die restriktiven Gesetze Österreichs hinwegsetzen. Wie Martin Depauli und Vicoria Rieser, die mit dem Bike verbotenerweise den Großvenediger bestiegen und ‹dreisterweise› sogar darüber berichtet haben. Dann gehen die Wogen hoch. Solche Aktionen leisteten dem Mountainbikesport einen Bärendienst, seien ein Grund für weitere Bike-Verbote, wird kritisiert.

Von der Politik lernen

Wer solche Mountainbike-Rebellen in die Schranken weist, dem sei ein Blick in die Politik ans Herz gelegt. Da ist es üblich, dass gewisse Themen erst durch die gezielte Provokation ernsthaft aufs Tapet gebracht werden. Selbst die internationale Diplomatie bedient sich diesem Hilfsmittel: Ohne Scharfmacher im Hintergrund sind die hohen Verhandler geradezu zahnlos. Sie können erst durch die Provokation von aussen den nötigen Druck am Verhandlungstisch aufbauen. Die Rebellen sind für sie ein wichtiges Verhandlungselement. Und was tun wir Mountainbiker? Wir stellen die Rebellen lieber in den Senkel als sie für unsere Anliegen einzusetzen.

Helvetisches Powerplay als Erfolgsmodell

Wer die Mountainbike-Rebellen als Schwachköpfe abtut, hat zudem die heutige Position der Schweiz nicht verstanden. Die Schweiz ist in Sachen Mountainbike immerhin so etwas wie der Musterknabe. Hier ist Mountainbiken (fast) flächendeckend legal – und zwar nicht von Ungefähr. Das ist ihr deswegen gelungen, weil es zu einem (unbewussten) Zusammenspiel von Rebellen und Pragmatikern gekommen ist. Eine Hand voll Rebellen sind für ihre Vision des Mountainbikesports eingestanden und unerschrocken vorgeprescht. Sie haben den Boden geebnet, damit die Pragmatiker am Runden Tisch solide Lösungen ausarbeiten konnten. Die Schweiz ist unter anderem deshalb im Mountainbikesport so weit gekommen, weil sich die beiden «Parteien» akzeptiert und nicht bekämpft haben. Beide Seiten wussten um die Bedeutung des Anderen und konnten dadurch ein Powerplay aufziehen.

Wo sind bloss die Rebellen?

Die Mountainbiker in Deutschland und Österreich stehen wie gesagt an einem Scheideweg und könnten nun das helvetische Powerplay aufziehen. Eine Zusammenspiel aus Rebellen und Pragmatikern. Bloss fehlen in Deutschland und Österreich die Rebellen. Alle drängeln ohne Flankenschutz an den Verhandlungstisch. Und wenn doch mal ein Rebell auftaucht, wird ihm ordentlich die Kappe gewaschen.

Dabei rufen haltlose Zustände wie in Baden-Württemberg oder in ganz Österreich geradezu nach gezielten Provokationen. Will heissen: Der Mountainbikesport braucht mehr Rebellen, um vorwärts zu kommen. Mehr Rebellen, die in den Pragmatikern keine charakterlosen Sesselfurzer sehen. Und mehr Pragmatiker, welche die Rebellen nicht als egozentrische Nestbeschmutzer bezeichnen. Es wäre das Erfolgsmodell der Schweiz.

 

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