Nach den Wutbürgern kommen die Wut-Biker | Ride MTB

Nach den Wutbürgern kommen die Wut-Biker

Der Ton im Mountainbikesport wird zunehmend aggressiver. Es steigt nicht etwa der Hass von Wanderern, Jägern oder Landwirten, den Biker seit Jahren immer wieder mal zu spüren bekommen. Vielmehr üben sich die Mountainbiker in der Selbstzerfleischung. Wieviel Aggression erträgt der Mountainbikesport? Keine, meint Thomas Giger in einem denkwürdigen Blog-Beitrag.

In der Welt melden sich die Unzufriedenen zu Wort. Man nennt sie Wutbürger. In Frankreich blockieren sie in gelben Westen den Verkehr, in Deutschland ziehen die Wutbürger mit historisch bedenklichen Parolen durch die Gassen, und in den Vereinigten Staaten hieven sie einen trumpelnden Wutgenossen ins Amt des Präsidenten. Dagegen ist die Welt des Mountainbikesports geradezu ein Hort der Glückseligkeit. Ich jedenfalls kenne niemanden, der sich aus Wut in den Sattel schwingt. Der aus Frust in den Singletrail steuert. Oder der eine Mountainbike-Tour als Racheakt versteht.

Mountainbiken ist etwas Schönes. Es geht um Flow, Natur, Erlebnis, Freunde. Mountainbiken ist eine positiv besetzte Sportart. Schnitt! Das mag allenfalls meiner romantischen Vorstellung ent­sprechen, die Realität ist eine andere. In Zürich zerfleischen sich die Mountainbike-Subkulturen seit Jahren. Ähnliches hört man von Bern, wo gegen Mountain­biker aus den Kreisen von Thömus regel­mässig Gift und Galle gespuckt wird. Früher verachteten die Downhiller die Touren-Biker – und umgekehrt. Heute wettern sie im gehässigten Kanon gegen die E-Mountainbiker. Es herrscht Feind- statt Glückseligkeit. Ganz offensichtlich gibt es neben dem Wutbürger auch den Wut-Biker.

Eine ordentliche Portion Fett dieser Aggressivität kriege auch ich regel­mässig ab. In den Kolumnen in Ride bringe ich meine persönliche Meinung jeweils zugespitzt und durchaus provokant auf den Punkt. Dabei geht es um eigentlich belanglose Themen wie Integralhelme, Fahr­technik oder Laufradgrössen. Nicht selten hagelt es dann wuterfüllte Kommentare, als ob der Weltfriede auf dem Spiel stehe, die Frauenrechte abgeschafft oder die Sklaverei eingeführt werden sollten. Es sind die Wut-Biker, die dann in die Tasten hauen.

Man mag über die Wut-Biker schmunzeln, doch eigentlich macht mir diese Spezies Angst. Denn ich mag mir nicht vorstellen, wie jemand zu den wirklich wichtigen Themen steht, wenn er bereits bei den Belanglosigkeiten aus dem Mountain­bikesport die Contenance verliert.

Dabei wäre doch genau der Mountainbikesport eine Möglichkeit, die Aggressionen des Alltags aussen vor zu lassen. Denn am Schluss gehts beim Mountain­biken um zwei Sachen: Freude und Freunde. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Hass und Aggression gehören gar nirgends hin, vor allem aber nicht in den Mountainbikesport. Denkt mal darüber nach, liebe Wut-Biker.
 

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