Heli-Biking: Spass maximieren mit Konfliktpotenzial | Ride MTB

Heli-Biking: Spass maximieren mit Konfliktpotenzial

Heli-Biking in Zermatt

Für einige sind die Mountainbiker, die sich den Aufstieg mit einem Helikopter vereinfachen, rücksichtslose Egoisten, die für ihr Vergnügen über Leichen gehen. Sollte man um des Trail-Friedens willen auf dieses exklusive Vergnügen verzichten? Eine Auslegeordnung.

Es war eine Frage der Zeit, bis Helibiking in den Alpen angeboten wurde. Schon lange lassen sich Skifahrer auf Gebirgs­landeplätzen absetzen, um unverspurten Pulverschnee geniessen zu können, ohne dafür stundenlang Bergflanken hochsteigen zu müssen. Während im Veltlin seit längerem Helikopter beim Mountainbiken eingesetzt werden können, war es in der Schweiz im Jahr 2018 es soweit: gleich zwei Walliser Unternehmen hatten sich ein Helikopter-Bikerack zugelegt und boten Flüge zu geeigneten Gebirgslandeplätzen an.

Die Reaktion der Umweltschützer liess nicht lange auf sich warten. «Mountain Wilderness» protestierte noch vor dem ersten Abheben mit einer Medienmitteilung, in der unter anderem stand: «Die zunehmende Konsummentalität im Bergsport ist fatal. Es geht nur noch darum, möglichst schnell möglichst viele Höhenmeter zu machen. Die Natur verkommt zur bedeutungslosen Kulisse.» Kritisch sei aus Umweltsicht nicht nur der hohe CO2-Ausstoss, sondern vor allem der Helikopterlärm, der ganze Talschaften beeinträchtige.

Der Boom blieb bislang aus

Gut zwei Jahre später hat sich an der Position von «Mountain Wilderness» nichts geändert, wenngleich Geschäftsleiterin ­Maren Kern einräumt, es habe bis jetzt kein eigentlicher Helibiking-Boom eingesetzt. Sie verweist auf die, vom Bundesamt für Statistik ausgewiesenen Zahlen der Flüge zu den Gebirgslandeplätzen: «Die Flugbewegungen an den Orten, auf denen Mountain­biker abgesetzt werden können und in dem Zeitraum, in dem dies möglich ist, nehmen zu, teilweise sogar massiv.» Dabei ­relativiert sie selber, dass die Statistik nur das Total sämtlicher Flüge erfasse aber nicht deren Zweck, also ob sie Helibiking oder ein anderes touristisches Angebot betrafen. Landungen mit Mountainbikes ausserhalb der offiziellen Landeplätzen seien jedoch auch schon dokumentiert worden erklärt Kern und verweist auf das Werbebild von Air Zermatt, das Biker und Hubschrauber auf einem für Touristenflüge nicht erlaubten Berg zeigt.

In Zermatt sind Helis mittlerweile mit Bike-Trägern ausgerüstet

Die Pionierin, die als erste den Zorn der Umweltschutz­organisationen auf sich zog, ist die Héli Alpes AG in Sion. Jean-­Daniel Berthod, Pilot und Direktionsmitglied, sagt: «Wir führen pro Saison drei bis fünf Helibike-Flüge durch. Dieses Angebot steht noch ganz am Anfang.» Kaum mehr Transfers sind es bei der Konkurrentin Air Zermatt. Die Marketingverantwortliche Sara Fux erklärt: «Angesichts der fehlenden Regelmässigkeit führen wir keine Statistiken zu durchgeführten Flügen. In den Sommer­monaten macht dieses Angebot weniger als ein Prozent der rund 1000 touristischen Flüge aus, über das ganze Jahr gesehen noch weniger.» Das Helibike-Angebot sei ein Nischenprodukt und es zeige sich bis jetzt auch kein spürbares Wachstum.

Die Wachstumsmöglichkeiten des Helibikings sind zumindest geografisch limitiert, denn oberhalb von 1100 Metern über Meer dürfen in der Schweiz zu kommerziellen Zwecken nur die 40 offiziellen Gebirgslandeplätze angeflogen werden. Von diesen eignet sich nur eine Handvoll für Mountainbiker. Sei es, weil die Abfahrt über zu spaltenreiche Gletscher führen würde oder selbst für die versiertesten Freerider nicht fahrbar wäre. Regelmässigen Bike-Besuch aus der Luft erhalten die Gebirgslandeplätze Arolla im Val d’Hérens sowie Alphubel und Unterrothorn, beide in der Umgebung von Zermatt. Einzig vom Unterrothorn ist es den Bikern erlaubt, ohne Bergführer abzufahren. Und dorthin gelangt man auch mit der Luftseilbahn. Sara Fux vermutet, dass während der Revision dieser Bahn in den Sommer 2018 und 2019 einige Mountainbiker den Heli nahmen. Mit 80 Franken pro Person ist dieses Angebot verlockend günstig. Die anderen Flüge gehen mit 390 Franken und mehr schon einiges stärker ins Geld.

Image-Schaden

Auch wenn es nur eine Handvoll Helikopterflüge sind, mit denen sich Mountainbiker in den Walliser Alpen absetzen lassen, sie ­lösen Emotionen aus. Das unverkennbare und unüberhörbare Geräusch der Rotoren lenkt die Blicke auf die fliegende Maschine. Ist sie dann endlich zur Ruhe gekommen, steigen die Passagiere lässig aus, laden ihre Bikes vom Ständer und preschen davon. Das Feindbild des rücksichtslosen Mountainbikers drängt sich auf, der für sein Vergnügen ein ganzes Tal beschallt, Wildtiere aufscheucht und beträchtliche Mengen CO2 in die Atmosphäre entlässt.

Jean-Daniel Berthod gibt zu bedenken, dass die Umwelt­belastung, die von einem Helikopter ausgehe, kleiner sei, als viele denken. Im Vergleich zu einem PS-starken Shuttle-Fahrzeug, das Stunden braucht, um die Strecke und Höhendifferenz zu überwinden, die ein Helikopter in zehn Minuten fliegt, stehe der Luftweg gut da. Der Mobilitätsrechner Mobility-Impact weist für den Hubschrauber den 6.9-fachen CO2-Ausstoss aus, den ein durchschnittliches Auto hätte, das sich vom gleichen Start- zum gleichen Zielort bewegt. Einen ganzen Tag lang shuttlen in Finale belastet die Atmosphäre somit mehr als ein Heliflug in die Walliser Alpen. Schwerer wiegt laut Maren Kern das Aufscheuchen der Wildtiere. «Was aus der Luft kommt, löst immer viel grösseren Stress aus, als was sich am Boden bewegt.»

Beim Heli-Biking scheiden sich im Mountainbikesport die Geister

Noch grösser als die Umweltbelastung des Helibiking ist der Reputationsschaden, welcher der Mountainbike-Gemeinde dadurch droht. Dave Spielmann, Mountainbike-Guide und stellvertretender Leiter der Guide-Ausbildung bei Swiss Cycling gibt zu bedenken: «Für das Image der Mountainbiker bei den Nicht-Bikern ist Helibiking aktuell sicher nicht gerade förderlich. Ich glaube, es ist bei ihnen grundsätzlich negativ behaftet und sie sehen keinen Sinn darin, wenn Mountainbiker auf Berge geflogen werden.» Noch dezidierter äussert sich der Schweizerische Alpenclub. Benno Steiner, Fachmitarbeiter Landschaftsschutz, hält fest: «Der SAC steht für nicht motorisierten Bergsport und authentische ­Naturerlebnisse in den Alpen.» Auch der Alpenclub sieht die Koexistenz auf den gemeinsam genutzten Wanderwegen durch das Helibiking gefährdet.

Die Mountainbiker sind nicht das Problem

Am stärksten war der Widerstand gegen das Helibiken in der Schweiz, als Héli Alpes und Air Zermatt ihre Angebote bekannt machten. Seither hat sich der Staub gelegt. Nicht nur ist die Anzahl an Mountainbikern, die sich schon einmal auf einen Berg haben fliegen lassen, überschaubar. Auch im Vergleich zu den weiteren Hubschrauberflügen, machen die Transfers von Mountainbikern einen verschwindend kleinen Teil aus. Der Landeplatz Arolla beispielsweise wurde im Jahr 2018 insgesamt 536 Mal angeflogen. ­Maximal fünf davon gingen laut Jean-Daniel Berthod auf Helibike-Angebote zurück.

Auch nicht grösser ist der Anteil der Heilibiker in Zermatt. So setzte am Unterrothorn im Jahr 2018 insgesamt 259 mal ein Hubschrauber auf. Weniger als zehnmal wurden Bikes abgeladen. Deutlich häufiger liess Air Zermatt Fussgänger aussteigen, die nach einem Panoramarundflug vom Unterrothorn zu einer Wanderung aufbrachen. Laut Statistik des Bundesamts für Zivilluftfahrt wurden die 40 Gebirgslandeplätze der Schweiz 2018 rund 14‘000 Mal angeflogen. Die Mountainbiker waren für rund ein Tausendstel davon verantwortlich. Helibiking eignet sich somit nicht als Sündenbock – das Ansehen der Biker verbessert es jedoch auch nicht.

Buchbare Heli-Angebote:

Hinweis: Diese Reportage ist erstmals im Jahr 2020 im Printmagazin von Ride erschienen.


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