Canyon-CEO: «Die Schweiz ist sehr wichtig für uns» | Ride MTB

Canyon-CEO: «Die Schweiz ist sehr wichtig für uns»

Der deutsche Direktversender Canyon ist zurück in der Schweiz – und wie. Nicht nur mit einem vollen Portfolio und Eröffnungsangeboten. Sondern bald mit einem Stützpunkt für Testfahrten, Service und Garantieabwicklung. Canyon-Chef Roman Arnold spricht im Interview über die Pläne seiner Marke in der Schweiz.

Ride: Roman Arnold, wie alt bist Du und wann hast Du Canyon gestartet?
Roman Arnold: Ich bin 56 Jahre alt. Im Prinzip arbeite ich als selbständiger Unternehmer seit ich 16 Jahre alt bin. Wir hatten am Anfang in einer Garage ein kleines Fahrradgeschäft, das mein Vater gründete. Vor rund 23 Jahren entstand Canyon. Zu diesem Zeitpunkt haben wir umgestellt vom Einzelhandel auf Direktvertrieb und haben begonnen, unserer eigenen Räder zu produzieren.

Ihr wart also zuerst Einzelhändler mit einem Fachgeschäft?
Wir waren zuerst Einzelhändler – und haben die bekannten Marken GT, Fat Chance, Specialized, Cannondale oder Trek verkauft. Ich bin früher auf dem Rennrad Rennen gefahren. Dann kamen die Mountainbikes, die wir richtig gut fanden. Und wir hatten zu diesem Zeitpunkt die richtigen Menschen im Unternehmen. Wir haben uns gedacht: Das ist vielleicht eine ganz gute Idee, wenn wir selber Fahrräder entwickeln.

Was war der Auslöser für die Eigenentwicklung?
Wir haben immer sehr sportliche Fahrräder angeboten und wir sind immer selbst sehr viel gefahren. Und es hört sich zwar doof an: Der Hersteller – besonders noch, als wir 1996 mit Canyon loslegten – macht seine Räder nicht nur für den Endkunden, sondern auch für den Händler. So kamen beispielsweise die Produktmanager von Trek relativ oft zu uns, um uns zu fragen, was der deutsche Kunde braucht, was hier anders ist als in den USA, wie die Räder für Deutschland auszusehen haben. Da dachten wir uns: Das ist unsere Chance, eine eigene Marke zu gründen und dem Kunden Räder dank dem Direktvertrieb günstiger und massgeschneiderter anzubieten.

Wieviele Bikes verkauft Ihr heute?
Wir verkaufen rund 130'000 bis 140'000 Räder pro Jahr.

Was war ursächlich für den Aufstieg der Marke Canyon?
Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass ich selbst und viele Menschen bei Canyon, die an zentralen Positionen wie beispielsweise im Produkt-Management oder im Engineering sind, selbst Fahrrad fahren. Und dass wir unsere Kunden sehr gut verstehen. Bei uns ist das Feedback der Kunden viel direkter durch unser Vertriebsmodell. Wir hören unsere Kunden sehr direkt. Sei das mit positiven oder negativen Meinungen. Die Kritik und das Feedback helfen, dass wir uns schnell anpassen können an Kundenbedürfnisse und die Veränderungen im Markt.

Wie seid Ihr ins Geschäft mit E-Mountainbikes gestartet?
Wir sind vor zwei Jahren in diesen Markt gestartet. Somit haben wir vor etwa fünf Jahren die Entscheidung getroffen, E-Mountainbikes und weitere Fahrräder mit E-Antrieb zu entwickeln und anzubieten. Was dabei sehr wichtig ist: Wir führen ja den Claim «pure cycling». Und als der Markt zum E-Mountainbike sich vor etwa acht Jahren zu entwickeln begann, war das für uns noch nicht wirklich «pure cycling» im wahrsten Wortsinn, mit den Motoren die es damals am Markt gab. Deswegen haben wir uns länger Zeit genommen, um das richtige Ausgangsmaterial zu finden. Auch haben wir die Räder des Wettbewerbs gefahren. Und da sahen wir: Ok, wenn wir die Geometrie anpassen,wenn das Bike leichter wird, dann fühlt sich das fast gleich an wie ein normales Mountainbike, und dann ist das «pure cycling». Mit dem Vorteil, dass man lange Anstiege einfacher meistert und dass man mit dem E-Mountainbike genauso enormen Spass im Trail hat. Auch in den Testberichten bekommen wir immer wieder die Bestätigung, dass sich unsere E-Mountainbikes sehr agil und sehr nahe am nicht angetriebenen Mountainbike fahren.

Und wie sieht die Zukunft Eures Portfolios aus?
Wir entwickeln und verkaufen weiterhin sehr sportliche Rennräder und Mountainbikes ohne Elektroantrieb. Doch es ist sehr viel in der Pipeline. Wir entwickeln seit Jahren massiv an E-Bikes und in den nächsten ein bis zwei Jahren präsentieren wir hier zahlreiche Neuheiten, die auch für die Schweizer Fahrradfahrer sicher von grossem Interesse sein dürften.

Apropos Schweiz, hier gibt es gute News für Eure Kunden hierzulande. Was ist die Geschichte dazu?
Ich muss gestehen: Als wir den Namen Canyon für unsere Fahrradmarke ausgesucht haben, war mir nicht bewusst, dass es in der Schweiz schon eine Marke gab, die Canyon hiess. Wir haben unseren Namen überall auf der Welt schützen können. Aber in der Schweiz gab es diesen Namen schon. So richtig bewusst wurde mir das zwei, drei Jahre nachdem wir mit Canyon gestartet sind. Wir haben so viele Räder in die Schweiz verkauft, dass Herr Schoch von Canyon in der Schweiz sich gemeldet hat, dass er das nicht in Ordnung findet, weil es in der Schweiz Verwechslungen gibt. Dann haben wir mit Jürg Schoch und seiner Lizard Sport AG eine Vereinbarung getroffen: Wir respektieren und akzeptieren diese Markenrechte, und wir verkaufen keine Räder unter dem Namen Canyon in die Schweiz. Teil der Vereinbarung war, dass wenn wir Räder in die Schweiz verkaufen, dann dürfen diese nicht Canyon heissen. So haben wir Fahrräder gebaut extra für die Schweiz, die nicht mit Canyon gebrandet waren und so für die Schweizer Kunden verfügbar waren unseren Slogan «pure cycling» zu wählen, war für uns naheliegend, da er den Markenkern verkörpern konnte. Auch konnten wir den Schweizer Kunden nicht verbieten, ein Canyon-Rad in Deutschland zu kaufen und dort abzuholen oder an die Grenze liefern zu lassen und es dann selbst in die Schweiz einzuführen.

Hat sich der Aufwand gelohnt, für die Schweiz eine extra Linie Eurer Bikes zu bauen?
Der Aufwand für die Produktion war enorm. Aber es hat sich trotzdem für uns gelohnt, weil die Nachfrage aus der Schweiz nach unseren Rädern sehr hoch ist. Deswegen haben wir auch jahrelang die extra Produktion für den Schweizer Markt gemacht. Insgeheim haben wir uns immer sehr gewünscht, in der Schweiz ankommen zu dürfen.

Nun passiert genau das: Ihr kehrt mit Canyon direkt in die Schweiz zurück. Was ist der Hintergrund dazu?
Hier hatte Herr Jürg Schoch von Canyon in der Schweiz die Fäden in der Hand. Es ist nicht zuträglich gewesen für die Canyon Schweiz und deren Fachhändler, dass es zwei Marken gibt, die Canyon heissen. Die Lizard Sports ist jetzt viel freier, sich weiter zu entwickeln. Und wir können jetzt unsere Räder in die Schweiz verkaufen. Für Jürg Schoch, so hat er mir erzählt, ist es wichtig, dass er Click & Collect mit seinen Händlern anbieten kann. Es war für Canyon Schweiz auch ein Problem, dass sie ihre Webseite nie richtig bespielen konnten, da diese Seite auch nach Deutschland abstrahlte, wo für Canyon Schweiz keine Rechte bestehen.

Wie haben sich die beiden Macher der zwei Canyon-Marken geeinigt?
Am Ende war das gar kein langes Ding: Herr Schoch wollte sein Konzept ändern, und das hat uns Raum gegeben, dass wir jetzt in die Schweiz verkaufen können. Herr Schoch hat sich entschieden, seine Marke zu ändern, weil es so für sein Geschäft und für seine Fachhändler besser ist. Jetzt gibt es Raum, für Canyon Schweiz dank der Namensänderung zu Cylan im Web besser zu verkaufen und es gibt keine Verwechslungen mehr mit uns. Darüber sind wir sehr froh und gehen mit dieser Marktveränderung sehr respektvoll um. Ich habe grössten Respekt davor, was Jürg Schoch mit Canyon und der Lizards Sports in der Schweiz erreicht und geleistet hat.

Mit dem bisherigen Schweizer Auftritt - unter dem Namen «pure cycling» statt Canyon - – gab es nur ein reduziertes Portfolio. Schiesst Ihr jetzt aus allen Rohren Richtung Schweizer Markt?
Wir konnten bisher in der Schweiz unter dem Namen «pure cycling» und den für den Schweizer Markt gebrandeten Modellen nur rund 20 Prozent unseres Portfolios anbieten. Jetzt sind alle Modelle in der Schweiz verfügbar. .

Was ändert sich auf Eurer Webseite für die Schweizer Kunden?
Bisher konnte ein Kunde in der Schweiz auf unserer canyon.com-Webseite alle unsere Räder anschauen. Bestellen konnte er sie aber aus den genannten markenrechtlichen Gründen nicht. Das ist jetzt freigeschaltet, und aus der Schweiz kann man alle Canyon-Räder zu gewohnt attraktiven Preisen bestellen. Das ist nur der erste Schritt, den wir machen werden.

Was für weitere Schritte plant Canyon für die Schweiz?
In einem zweiten Schritt werden wir auch Bikes zum Testen anbieten in der Schweiz. Als dritten Schritt bauen wir ein Servicecenter für die Schweizer Kunden auf. Für die Testmöglichkeiten gehen wir selbstverständlich an die schönen Bike-Events wie die Bike Days in Solothurn oder das neue E-Bike-Festival in Verbier. Wir werden eine mobile Testflotte aufbauen, um vor Ort präsent zu sein. In der Vergangenheit waren wir hier nur begrenzt befähigt - denn wir waren zwar oft an den Bike Days, mussten dort aber alle unsere Zelte, Fahnen, schlicht einfach alles so vorbereiten, dass da nirgends Canyon draufstand.

Du hast auch ein Servicecenter erwähnt. Was plant Ihr?
Wir wollen neben der mobilen Testflotte auch einen stationären Teststützpunkt erstellen. Wir sind aktuell daran zu evaluieren, wo dieser Stützpunkt hinkommen soll. Dort werden wir dann auch Reparaturen anbieten, voraussichtlich setzen wir das im Jahr 2020 um. Mit dem stationären Test- und Reparaturstützpunkt möchten wir es unseren Schweizer Kunden noch einfacher machen, auf uns zuzugehen. Wir werden im Jahr 2020 in der Schweiz mit einem vollen Event-Programm und mit einer Test- und Servicezentrale richtig durchstarten.

Wisst Ihr schon, wo Ihr diesen Stützpunkt eröffnet?
Bern ist die Hauptstadt, Zürich ist die grösste Stadt – wir diskutieren noch verschiedene Optionen. Der Grossraum Zürich wäre schon gut. Die Schweiz ist für uns kein Beiwerk, wo wir nur sagen, «das machen wir jetzt auch noch». Wir schätzen diesen Markt sehr und freuen uns sehr darauf, auch vor Ort Flagge zu zeigen.

Den Schweizer Fachhändler als Servicepartner einzubinden, wie schaut es damit aus?
Da sind wir offen dafür. Wir arbeiten mit einer Plattform, die heisst bikerepair.com – die gibt es beispielsweise in den USA, den Niederlanden und in Deutschland. Fachhändler zeigen da ein hohes Interesse, Fahrräder von Canyon zu reparieren und zu warten, aber nicht nur von Canyon, sondern auch von anderen Online-Marken. So was machen wir auch gerne in der Schweiz, und wir haben hier schon Kooperationen mit Händlern.

Welche Ziele setzt Du Dir für Canyon?
Wir sind eine sportliche Marke, das bleibt so. Wir wollen unseren Beitrag zur Eco-Mobility leisten, auch im urbanen Bereich werden wir viele News präsentieren. Wir sind auf einem guten Weg zur globalen Marke. Mit unserem sportlichen Hintergrund, mit sportlichen Mountainbikes und Rennrädern, sehe ich uns auch sehr gut gerüstet für eine ganze Palette an neuen E-Bikes, die da kommen werden. Ich glaube, wir werden auch künftig die Kundenwünsche sehr gut treffen. Wir rechnen damit, dass Canyon auch in Zukunft kräftig wachsen kann – und dabei spielt die Schweiz eine ganz wichtige Rolle.