Weltcup-Mechaniker – die Profis im Schatten der Profis | Ride MTB

Weltcup-Mechaniker – die Profis im Schatten der Profis

Perfekt gewartet, stehen die Renn-Bikes für ihre Fahrer bereit, damit diese Höchstleistungen erbringen können. Höchstleistungen erbringen auch die Mechaniker, die oft im Schatten des Erfolgs stehen. Ride hat sich in Albstadt den Profis im Hintergrund angenommen und ihnen einige Worte entlockt.

Egal ob neben- oder hauptberuflich, sie haben alle dasselbe Ziel: mit einem bestmöglich gewartet und getunten Mountainbike ihren Fahrern zum Erfolg zu verhelfen. Kein einfacher und auch teilweise nervenaufreibender Job. Denn dieser erfordert Hingabe, Wissen, Perfektion und nicht selten auch Überstunden – dann wenn die Fahrer längst ihre Beine hochlagern. Ride hat beim Cross-Country-Weltcup in Albstadt acht Mechanikern auf den Zahn gefühlt.

Jeremie «Jey» Zeller, DT Swiss
Jeremie ist Events- und Races-Support-Manager bei DT Swiss und betreut unter anderem Athleten wie Nino Schurter und Fabian Giger. Vor Ort kümmert er sich um Laufräder und Federelemente und sorgt für deren perfektes funktionieren.

Im Jahr 2012 als zweiter Mechaniker dabei, hat der Romand seit dem Jahr 2013 den Renn-Support vollständig unter sich und reist dafür von Ende April bis Ende Oktober zu insgesamt 17 Mountainbike-Grossveranstaltungen. Neben Rennen gehören auch vier grosse Bike-Festivals dazu. Der Cross-Country-Weltcup hat jedoch Priorität, weswegen er auch bei jedem vor Ort ist. Die Downhill-Veranstaltungen werden nicht extra angesteuert, wie Jeremy verrät: «Die von uns gesponserten Teams bekommen ausreichend Ersatzmaterial, um Reparaturen selbst vornehmen zu können. Der Suspension-Support fällt dort ebenfalls weg, da wir in diesem Bereich nur im Cross-Country-Bereich präsent sind.»

Während der Rennsaison opfert Jeremy einiges auf. Dennoch mag er seine Arbeit und möchte den DT-Servicewagen keinesfalls durch einen Bürosessel austauschen. «Ich bin gerne auf Achse und draussen. Dabei schätze ich den Kontakt mit den anderen Mechanikern, Teams und Rennfahrern. Gerade mit Letzten arbeitet «Jey» sehr gerne, wie er abschliessend verrät: «Die Fahrer die wir betreuen, sind alle sehr locker im Umgang. Diven gibt es da keine.»
 

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«Jey» beim Laufradservice im DT-Swiss-Service-Wagen. Zeit zum hinsetzen muss aber doch auch mal sein.

Giacomo «Jack» Angeli, Chefmechaniker Cannondale Factory Racing
Giacomo ist ein Urgestein im Weltcup: es ist sein elftes Jahr in diesem Zirkus. Er hat eine Vollzeitanstellung beim Cannondale Team und ist dafür zirka 200 Tage auf Achse. Begonnen hat seine Karriere im Jahr 2004, als er bei Cannondale für Cedric Gracia schraubte. Nur nach einem Jahr kündigte er Gracia die «Liebe» und setzte darauf sein Wissen an Steve Peats Downhill-Boliden ein, zog aber bereits auf die Saison 2006 weiter zum Renn-Support von Manitou. Nach diesem Jahr hatte der Italiener erstmal genug. «Zwei Jahre blieb ich dem Rennzirkus fern und arbeitete in einem Bikeshop in Finale Ligure», erzählt Giacomo. Mit der Lancierung des Cross-Country-Rennteams von Cannondale kam «Jack» zurück auf die Rennplätze der Welt. Als Chefmechaniker verpasst er, seit dem Jahr 2009 bis heute, den Boliden von Manuel Fumic und Marco Fontana und Co. den Rennschliff.

Schaut Giacomo zurück, erinnert er sich an zwei prägende Erlebnisse die sich dennoch zum guten wendeten: «Im Jahr 2005 war ich mit Steve Peat in England, an einem Rennen der National Series. Er stürzte und brach sich die Schulter. Steve kam aber noch in der gleichen Saison zurück und gewann das Weltcup-Finale in Fort William. Das gleiche widerfuhr mir mit Mani (Manuel Fumic), als er sich im Jahr 2013 in Albstadt an der Schulter verletzte, die Saison dann aber mit der Silbermedaille an den Weltmeisterschaften beenden konnte.» Der sonst fröhliche Giacomo wirkt nachdenklich, als er erwähnt: «Trotz Happy-End, solche Vorfälle geben einem immer ein schlechtes Gefühl, da man schliesslich nur das Beste für seine Fahrer will. Auch wenn wir das beruflich machen, steckt Herzblut dahinter. Die Fahrer leiden dann immer am meisten.»

Unschöne Erlebnisse gehören zum Sport und doch will Giacomo seine Arbeit nicht missen: «Es ist grossartig mit einigen der weltbesten Fahrern arbeiten zu können und ihnen damit das Beste geben zu können. Zudem gefällt mir der Mountainbike-Sport als solches. Er ist generell einfach und nicht derart teuer wie zum Beispiel der Motorsport, der in Italien einen hohen Stellenwert hat. Ein Mountainbike ist dagegen sehr viel erschwinglicher und du kannst den Sport von deiner Haustür weg betreiben, weshalb er den Menschen nahe ist.»

 

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Giacomo, oder Jack wie er in der Rennszene oft genannt wird, mit seinen Lieblingswerkzeugen: dem 5 Millimeter Inbus und dem Minitool.

Sylvain Golay und Benoit di Natale, BMC Mountainbike Racing Team
Golay ist seit der Team-Gründung im Jahr 2011 als Chefmechaniker angestellt. «90 Prozent im Pensum und 120 Prozent mental», wie Sylvain mit einem schmunzeln sagt. Dabei ist er rund 100 Tage an Rennen unterwegs. Wie bei den meisten grossen Teams ist Sylvain nicht alleine weshalb er Benoit, den zweiten Mechaniker, als ebenso wichtigen Teil des Teams sieht. Die beiden kennen sich auch schon länger. Denn vor der Team-Gründung arbeiteten Benoit und Sylvain bereits sechs Jahre zusammen in einem Bikeshop.

Die Arbeit an den Rennen ist hart, wie der Sylvain erklärt: «Wir arbeiten viele Stunden. Da ist die Belastung während den Rennwochenenden jeweils physisch wie auch psychisch hoch. Ich bin kurz vor und während den Rennen wohl nervöser als die Fahrer, auch wenn man mir das äusserlich nicht anmerkt. Schliesslich haben wir eine grosse Verantwortung. Sind unsere Fahrer aber erfolgreich, macht es die Strapazen alleweil wett.»
Benoit, der seit der Saison 2013 als Mechaniker für die Westschweizer Equipe arbeitet, pflichtet dem bei und fügt an: «Die Bikes der weltbesten Mountainbiker in Top-Zustand halten zu dürfen, ist ein tolles Gefühl, denn schliesslich sind wir einen wichtigen Teil des Erfolges, müssen allerdings auch den Misserfolg teilen.»

Beim BMC-Team spürt man den Einfluss aus dem Unterwallis. Eine gute Atmosphäre ist da sehr wichtig – ebenso wie Traditionen. «An jedem Weltcup haben wir ein Ritual. Sobald wir unseren Pit fertig aufgestellt und eingerichtet haben, machen wir mit dem gesamten Betreuerstab traditionell ein Fondue oder ein Raclette – natürlich mit Walliser Käse», verrät Sylvain.

 

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Sylvain und Benoit: vier goldene Hände für Absalon und Co.

Fabian «Fabi» Haug, Focus-XC-Team
Während der Saison 2013 war Fabian erstmals als Mechaniker an Mountainbike-Rennen. Er hatte Spass an dieser Arbeit und blieb bei dieser umfassenden «Freizeitbeschäftigung». Seit diesem Jahr versorgt er als Chefmechaniker des aufstrebenden Focus-XC-Teams alle Athletenbikes und kümmert sich auch um das gesamte Material rund herum. Im Unterschied zu den ersten vier portraitierten Mechanikern schraubt Fabi jedoch nebenberuflich. Eigentlich ist er Student, auch wenn das Mechanikerdasein mehr Zeit einnimmt als sein Studium. Fabian studiert angewandte Wirtschaftstheorie im Master-Lehrgang. Die meisten Kurse und Prüfungen kann er jeweils auf die Wintermonate schieben, damit er sich während der Saison vollumfänglich in den Dienst des Focus-XC-Team stellen kann.

An den Weltcup-Wochenenden würde Fabian die ganze Arbeit jedoch nicht alleine schaffen. «Zum Glück habe ich jeweils zwei Assistenten die die Renn-Bikes blitzblank sauber reinigen und für mich schraubfertig vorbereiten. Ich kann mich dann voll und ganz aufs Technische konzentrieren.»
Trotz der grossen Belastung durch das Studium und seiner Abeit als Team-Mechaniker fehlt es dem jungen Deutschen kaum an Energie: «Innerhalb des Teams haben wir ein super Verhältnis, was das Arbeiten echt angenehm macht. Aktuell bin ich sowieso super happy wie es läuft und alle Fahrer auf dem aufsteigenden Ast sind. Zudem haben Florian Vogel und Linda Indergand viel frischen Wind mit eingebracht. Dazu merke ich, dass wir deutlich mehr Aufmerksamkeit bekommen, als die Jahre zuvor», sagt Fabian.

Seine Energie schöpft er aber nicht nur aus dem stets positiven Groove im Team. Gelegentliche Ausfahrten an den Rennorten dürfen ebenfalls nicht fehlen, wie er mit einem Schmunzeln verrät: «Wenn es mir irgendwie möglich ist, nehme ich mein Focus-Enduro-Bike mit an die Rennen. Dort drehe ich dann, wann immer möglich, selber eine Runde. Bikes die ich fahren könnte, hätten wir zwar genügend dabei, aber mit dem Enduro-Bike macht es mir einfach mehr Spass.

 

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Fabi Haug macht nach dem Rennen die letzten Handgriffe an Linda Indergands Bike.

Thomas Stoll, Stöckli Pro Team
Der Schaffhauser wechselte nach seinem Karriereende als professioneller Marathon-Fahrer praktisch nahtlos, innerhalb des Sports die Seiten. Nun ist er bereits das zweite Jahr vollangestellt als Team-Chef des Stöckli-Pro-Teams unterwegs und betreut Jolanda Neff und Mathias Flückiger. Thomas ist jedoch nicht nur Team-Chef: Er hat ebenso seine Rollen als Vertrauensperson, Entwickler und Mechaniker. Als Letzteres hatte er sich während seiner Zeit als Rennfahrer sein Know-how angeeignet, weshalb er keine Berührungsängste mit dem Hightech-Material hat.

Wie schon als aktiver Rennfahrer gibt er 100 Prozent, um das bestmögliche herauszuholen. Nur gibt er heute in jeder seiner Rollen alles für seine zwei Athleten, wie er selbst sagt: «Mit meiner Erfahrung weiss ich genau was meine Fahrer brauchen, deshalb gebe ich ihnen meinen bestmöglichen Support. Das ist auch beim Material nicht anders.»

Viele ehemalige Rennfahrer träumen von einer Karriere als Team-Chef, um das Leben, welches sie zuvor hatten, auf eine andere Weise weiterleben zu können. Stoll ist sich seiner glücklichen Lage sehr wohl bewusst, jedoch formuliert er es abschliessend etwas anders aus: «Wenn man das Rennfahrerdasein zu schätzen weiss, gibt es kaum was besseres. Trotzdem erfordert es eine grosse Hingabe. Genau so ist es auch als Team-Chef: ein super Job, der ebenfalls eine grosse, jedoch etwas andere Hingabe erfordert. Deswegen sind Rennfahrer und Team-Chef als «Berufe» kaum miteinander zu vergleichen, auch wenn beide sich im gleichen Umfeld abspielen.»

 

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Thomas Stoll mit vollem Einsatz für seinen Arbeitgeber und seine Fahrer – mit Erfolg.

Dusty LaBarr, Luna Pro Team
In einem reinen Frauen-Team zu schrauben und dann noch mit einer Team-Fahrerin verheiratet sein? «Bei uns kein Problem. Hier sind alle locker drauf», sagt Dusty LaBarr der seit drei Jahren voll und ganz als Chefmechaniker in den Diensten des Frauen-Rennstalls «Luna Pro Team» steht, welchem auch die Schweizerin Andrea Waldis und die amtierende Weltmeisterin Catharine Pendrel angehören. Zuvor war der Ehemann von Georgia Gould, der Bronze-Medaillengewinnerin von London, bereits sechs Jahre in anderen US-Mountainbike- und Radquer-Teams als Mechaniker engagiert.

Dusty ist soeben beim verpacken der Teambikes, da noch am selben Abend der Rückflug ansteht, als er uns erzählt wie er das viele herumreisen wahrnimmt: «Pro Jahr bin ich 25 bis 30 Renn-Weekends unterwegs. Das ist nicht immer toll, aber es ist ein «part of the game». Die Weltcup-Rennen in Europa sind für mich aber verhältnismässig entspannt, da wir von Orbea und Shimano einen tollen Support geniessen. Ausser den Bikes und meinem persönlichen Werkzeug brauchen wir somit nicht noch Ersatzmaterial mitzuschleppen.»

Der Amerikaner ist eine kräftige und freundliche Erscheinung. Dennoch gesteht auch er, dass es unter dem dicken Mantel es oft anders ausschaut: «Ich bin immer sehr nervös wenn «meine Ladies» an den Start gehen. Mehr als ich es jemals war, als ich noch selber Rennfahrer war. Zum einen hoffe ich natürlich, dass alle Team-Fahrerinnen gut fahren, zum andern wünsche ich mir auch keine Defekte, auch wenn ich weiss, dass ich den Mädels ihre Bikes nur im besten Zustand überlasse.»
Die Renn-Bikes von bis zu sechs Fahrerinnen hält LaBarr an den Rennen im Schuss. Hier beim Weltcup in Albstadt sind es hingegen «nur» vier Fahrerinnen.

 

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Dusty und sein Werkzeugkoffer: zufrieden und innerlich wohl wieder entspannt nach dem Rennen.

Yanick Gyger, Scott Odlo MTB Racing Team
Ein Jungspund und doch schon fast ein alter Hase in der Szene ist Yanick Gyger. Seine ersten Rennerfahrungen als Mechaniker machte er im Strassenrennsport, beim früheren Specialized-Womens-Team. Danach war der gelernte Fahrradmechaniker während vier Jahren mit dem Scott-Team unterwegs. Während dieser Zeit durfte er viel von Chefmechaniker Erwin Wildhaber lernen. Nach dessen tragischen Todes sprang Yanick in die Bresche und kümmert sich seither zu 100 Prozent um die Bikes von Nino Schurter, Jenny Rissveds, Andri Frischknecht, Michiel van der Heijden und Marcel Wildhaber.

Während den hektischen Weltcup-Wochenenden lastet jedoch nicht die ganze Arbeit auf ihm alleine. Um dort die Fahrer bestmöglich zu Unterstützen, bekommt Yanick jeweils Unterstützung durch Dugast-Besitzer und Schlauchreifen-Guru Richard Nieuwhuis. Trotz der straffen Zeitpläne geniesst Gyger aber seine Arbeit: «Als Rennmechaniker habe ich andere Möglichkeiten und erlebe mit dem Team auch Dinge die mir sonst als «normaler» Velomech verwehrt bleiben würden.»
Eines seiner persönlichen Highlights erlebte Yanick im Frühjahr. «Nach dem Sea-Otter-Festival in Montery durfte ich mir Tom Ritcheys geschichsträchtige Werkstatt anschauen, einer der Orte an dem einst der Mountainbike-Sport begann. Als Bike-Mechaniker so etwas zu erleben, ist schon sehr speziell – solche Erfahrungen schätze ich sehr.»

Abschliessend findet er auch in seinem Beruf ein Haar in der Suppe: «Schade an meinem Job ist lediglich, dass ich zwar oft an die schönsten Orte der Welt reisen darf, ausser dem Flughafen, der Transferreise, Hotel und Renngelände aber herzlich wenig davon sehe.»

 

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Mit Leidenschaft bei der Arbeit: Yanick Gyger bringt Andri Frischknechts Bike in den rennbereiten Zustand.