Mountainbike Marathon-Weltmeisterschaften in Singen versprechen knisternde Spannung | Ride MTB

Mountainbike Marathon-Weltmeisterschaften in Singen versprechen knisternde Spannung

Für die Marathon-Weltmeisterschaften im Süddeutschen Singen wird die Rekordzahl von 265 Teilnehmern gemeldet. Darunter 20 Schweizer Athleten, angeführt von Titelverteidigerin Jolanda Neff. Während es bei den Frauen vier Titelanwärterinnen sind, ist die Ausgangslage bei den Männern so spannend wie noch nie. Es gibt mehr als eine Hand voll ernsthafte Titelkandidaten.

Wenn man vor den 15. Marathon-Weltmeisterschaften der Radsport-Geschichte nach den Favoriten bei den Herren fragt, dann hört das nicht bei einem, zwei oder drei Namen auf, sondern es geht weiter. Der Bronze-Medaillengewinner des Vorjahres, der Tscheche Kristian Hynek von Topeak-Ergon bringt es so auf den Punkt: «Ich glaube, es gibt mindestens zehn Fahrer, die Weltmeister werden können. Auf dieser Strecke haben viele eine Chance und man braucht einfach auch Glück, um dabei zu sein, wenn die richtige Gruppe geht.»
 
Dass die Palette an potenziellen Weltmeistern so gross ist, liegt einerseits am schnellen Kurs mit seinen vergleichsweise kurzen Anstiegen in der Vulkanlandschaft des Hegau. Auch die Fahrzeit auf den zweimal 49 Kilometern bei den Männern ist mit erwarteten dreieinhalb Stunden vergleichsweise gering. Somit kann das Rennen auch kaum über die Distanz entscheiden werden. Anderseits ist das Titelrennen so stark besetzt wie es eine Marathon-Weltmeisterschaft vorher wohl noch nie war. Das klingt erst mal merkwürdig, weil Weltmeisterschaften eigentlich immer mit den Besten der Besten besetzt sein müsste, doch in diesem Fall mischen sich eben noch Spezialisten aus zwei anderen Disziplinen unter die  Marathon-Cracks.
 
Aus dem Cross-Country-Lager kommen Grössen wie London-Olympiasieger Jaroslav Kulhavy, der 2014 schon Marathon-Weltmeister war und 2015 in Singen auch Europameister in dieser Disziplin wurde. Aber auch U23-Weltmeister Sam Gaze aus Neuseeland, der im Vorjahr in Singen dem zweifachen Marathon-Weltmeister Alban Lakata Paroli bis zum Zielsprint Paroli geboten hat. Und der sagt selbstbewusst: «Die Marathon-Weltmeisterschaften sind dieses Jahr mein ganz grosses Ziel. Ich will Weltmeister werden.»
 

Cross-Country-Spezialisten:  Milatz, Fumic, Flückiger, ...

Aus der Schweiz sind mit Nicola Rohrbach und Lukas Flückiger zwei etatmässige Cross-Country-Fahrer am Start, die auch das Zeug haben, vorne mitzumischen. Aus dem Schweizer Marathon-Lager ist natürlich auch Urs Huber nicht zu vergessen. Dass neben dem Freiburger Moritz Milatz, der 2012 schon Vize-Weltmeister auf der Langdistanz war, auch der Kirchheimer Manuel Fumic seine WM-Premiere auf der Langdistanz feiert, spricht Bände. Er nutzt es als Training und will seinen Cannondale-Teamkollegen Henrique Avancini aus Brasilien unterstützen. Den hält er für einen Medaillenkandidaten. «Ich habe keine grossen Ambitionen, aber nur der Domestike bin ich auch nicht», sagt Fumic. Wer weiss was passiert?
 

Ein fliegender Holländer auf Titeljagd

Das Rennen ist kaum berechenbar. Die Italiener schicken auch eine schlagkräftige Truppe ins Rennen, zum Beispiel Juri Ragnoli, der am Sonntag den Sella Ronda Hero mit fast sieben Minuten Vorsprung auf den Kolumbianer Hector Paez gewonnen hat. Dann kommt da mit Mathieu van der Poel (Beobank-Corendon) noch einer hinzu, der aus einer weiteren, anderen Radsport-Disziplin stammt. Van der Poel war vor zwei Jahren der jüngste Cyclo-Cross-Weltmeister aller Zeiten, im Januar wieder Zweiter bei den Weltmeisterschaften, kommt aber auch mit der Empfehlung dreier Siege auf Strasse in den vergangenen Wochen und mit einem zweiten Platz vom Cross-Country-Weltcup in Albstadt. Er lässt für die Weltmeisterschaften die Strassen-Meisterschaften in den Niederlanden aus. «Ich glaube, dass ich die Weltmeisterschaften gewinnen kann», sagt van der Poel. Und es zweifelt kaum einer daran, dass das so ist.
 
Vom Titelverteidiger Tiago Ferreira aus Portugal hat man die vergangenen Wochen wenig gehört, doch Kontrahent Alban Lakata traut ihm auf dem Hegau-Kurs auch was zu. «Der kann schon grosse Gänge treten», sagt der Österreicher, für den das selber auch gilt. Er hat in Singen schon dreimal gewonnen, weiss also auf was es ankommt. Sein Landsmann Daniel Geismayr (Centurion-Vaude) hat zuletzt bei der Alpentour-Trophy stark aufgetrumpft. «Ich denke, der Kurs könnte was für mich sein – wenn alles passt. Es kommt auf so viele Faktoren an, die es sehr schwer machen, richtig einzuschätzen, wann ein guter Zeitpunkt ist, um aktiv zu werden, damit man am Schluss erfolgreich ist. Ich aber habe alles Mögliche dafür getan, speziell auch für diese Strecke trainiert», meint der Profi aus Dornbirn.

Schweizer Fahrerinnen gemäss Meldeliste

6 HUBER Urs
12 GADOMSKI Jeremy
24 ROHRBACH Nicola
44 FLUECKIGER Lukas
64 KAUFMANN Lukas
78 MORARD Eric
91 MONNIER Fabien
146 JUAN Yves-Alain
161 STUTZMANN Marc
171 ZAHNER Simon
175 JENNY Roger
 

Frauen: Nichts übers Knie brechen

Als Beobachter möchte man fast aufatmen, wenn man sich die Situation bei den Damen anschaut. Dort lässt sich die Gruppe der potenziellen Weltmeisterinnen etwas besser eingrenzen. Was nicht heisst, dass auch da eine Unkalkulierbarkeit drinsteckt.
 
Titelverteidigerin Jolanda Neff war zuletzt krank, aber sie sendet Anfang der Woche das Signal: «Ja, ich fahre.» Und wenn die Schweizerin das tut, dann gehört sie zu den Favoritinnen. Die amtierende Weltranglisten-Erste im Cross-Country wurde ja vor zwei Jahren in Singen bei den Europameisterschaften nur knapp von Sabine Spitz geschlagen, ganz ohne Vorbereitung. Sie ist sicherlich die Explosivste im Starterfeld und könnte mit einer Attacke eine Spitzengruppe sprengen. Gunn-Rita Dahle-Flesjaa ist bereits am Montag nach Singen angereist, um sich möglichst perfekt auf die Weltmeisterschaften einzustimmen. Die Norwegerin hat den Langstrecken-Titel nicht weniger als sechsmal gewonnen, zuletzt im Jahr 2015 im Val Gardena. «Ich war in dieser Saison aufgrund von Verletzungen und Krankheit noch nicht in der Lage zu zeigen, was ich drauf habe, aber ich glaube nach wie vor an einen guten Tag bei der WM», sagt die 44-Jährige Dahle-Flesjaa. «Es wird ein spezielles Rennen weil es so viele Flachpassagen gibt und es muss nicht zwingend die stärkste Fahrerin gewinnen. Ich bin gespannt und es wird sich zeigen, ob ich meinen elften Titel gewinnen kann oder ob ich auf die Berge im nächsten Jahr warten muss.»
 
Sabine Spitz gehört ohne Frage zu den Mitfavoritinnen. Einmal war sie Weltmeisterin im Marathon (2009) und sieben WM-Medaillen hat sie in dieser Disziplin gewonnen. Doch was sie vor allem mit aufs Favoritenschild hebt, ist einerseits die Fähigkeit sich auf Gross-Ereignisse bestens einzustellen, wie nicht zuletzt ihre drei Olympia-Medaillen beweisen. Und anderseits die Form, die sie im Frühjahr bereits gezeigt hat. Bei ihrem zweiten Weltcup-Platz in Nove Mesto, aber auch zuletzt beim Swiss Bike Cup in Gränichen, wo sie auch Zweite wurde. «Ich versuche mit Gelassenheit an den Start zu gehen und cool zu bleiben. Auf diesem Kurs darfst du nichts übers Knie brechen», sagt Spitz zu ihrer Strategie. Als eine ihrer grössten Konkurrentinnen betrachtet sie die Dänin Annika Langvad. Die war schon dreimal Weltmeisterin auf der Langdistanz und ist amtierende Cross-Country-Weltmeisterin. Im Vorjahr verfehlte sie die Titelverteidigung wohl nur weil sie in Führung liegend die falsche Abzweigung nahm. Nachdem sie sich seit einer guten Woche Dr. der Zahnmedizin nennen darf, ist sie befreit von jeglichem Druck auf dieser Seite.
 
Die frühere Weltmeisterin Esther Süss darf auf der Rechnung auch nicht fehlen. Als sie 2010 in St. Wendel den Titel holte, da war das Gelände von ähnlichem Profil wie jetzt in Singen. Darüber hinaus könnten die Südafrikanische Meisterin Robyn de Groot und die Süss’ Cape-Epic-Partnerin Jennie Stenerhag aus Schweden eine Rolle spielen. Die Vorjahres-WM-Zweite und Europameisterin Sally Bigham (GBR) wird nicht am Start sein.

Schweizer Fahrerinnen gemäss Meldeliste

1 NEFF Jolanda 2016 World Champion
7 DARBELLAY Florence
15 LUETHI Ariane
30 LIARDET Barbara
35 METILLE Stephanie
46 WITTLIN Michele
65 SUSS Esther
71 MONTANI Katja
77 MING Andrea
 

Fakten zu den Marathon-Weltmeisterschaften in Singen

Es ist nach den Cross-Country- und Downhill-Weltmeisterschaften 1995 in Kirchzarten und den Marathon- Weltmeisterschaften 2010 in St. Wendel erst die dritten Welttitelkämpfe in Deutschland. Im Jahr 2020 werden in Albstadt die Cross-Country- Weltmeisterschaften stattfinden. Marathon-Weltmeisterschaften gibt es im Mountainbike seit 2003. Beim Hegau Bike-Marathon in Singen fanden 2008 und 2012 Deutsche und 2013 und 2015 Europameisterschaften statt. Auch der Hegau Bike-Marathon erlebte 2003 seine Premiere.
 
Titelverteidiger sind Jolanda Neff (Schweiz) und Tiago Ferreira aus Portugal. 2016 gingen im französischen Laissac bei den Damen Silber und Bronze an die Britin Sally Bigham und an die Französin Sabrina Enaux. Bei den Herren landeten der Österreicher Alban Lakata und der Tscheche Kristian Hynek auf den Plätzen zwei und drei.
 
Die Strecke bei den Frauen führt über 80 Kilometer. Sie fahren zuerst eine 31 Kilometer-Runde und dann die 49 Kilometer lange Schleife. Insgesamt werden von ihnen 2050 Höhenmeter bewältigt. Die Männer fahren 98 Kilometer. Sie haben die 49 Kilometer zweimal zu absolvieren. Damit kommen sie auf 2800 Höhenmeter.
 
188 Männer und 77 Frauen aus insgesamt 38 verschiedenen Nationen und von fünf Kontinenten haben gemeldet. Das ist neuer Rekord in der 14-jährigen Geschichte der Marathon-Weltmeisterschaften.

Meldelisten

Die Weltmeisterschaftrennen werden um 10 Uhr (Damen) und 10:20 Uhr (Herren) gestartet. Auf der Facebook-Seite des Hegau Bike-Marathon wird man aktuell über Entwicklungen und Zwischenzeiten informiert. Die Zielankünfte werden um etwa 13.25 Uhr und 13.55 Uhr erwartet.
 
www.hegau-bike-marathon.de