Das Unwort 2022: Tagfahrlicht-Obligatorium | Ride MTB

Das Unwort 2022: Tagfahrlicht-Obligatorium

Tagfahrlicht-Obligatorium für E-Mountainbikes

Das Jahr 2022 wird in vieler Hinsicht in die Geschichte eingehen. In der Schweiz unter anderem wegen der Einführung des wohl schwachsinnigsten Gesetzesparagraphen der letzten Jahrzehnte: dem «Tagfahrlicht-Obligatorium» für E-Bikes. Seit diesem Jahr müssen alle, die per motorisiertem Fahrrad auf den Singletrails unterwegs sind, dies beleuchtet tun. Ganztags! Thomas Giger kürt deshalb in seinem Blog den Paragraphen zum Unwort des Jahres 2022 und zeigt auf, wie schlecht es um die MTB-Lobby steht.

 
Die Schweiz ist eigentlich bekannt und beliebt für ihre liberale Haltung. Es braucht hier nicht für alles ein Gesetz oder eine offizielle Regelung. Der ­bekannteste ­helvetische Jurist heisst denn auch: der gesunde Menschen­verstand. Mountain­biker können davon ein Lied singen. Während in vielen Alpen­ländern versucht wird, die Fahrradfahrer mit Paragraphen und Verbotsschildern in die Schranken zu weisen, ist in der Schweiz der gesunde Menschen­verstand das Mass der Dinge.

Schildbürgerstreich statt Aprilscherz

Die Schweiz ist eine pragmatische ­Insel in einem gefühlt überregulierten Europa. Das galt bis am 1. April 2022. Seit diesem Tag ist in der Schweiz eine der weltweit dämlichsten Verkehrs­regelungen in Kraft: die ausnahms­lose Lichtpflicht für E-Mountainbiker. Und zwar ganztags, eingeschaltet und überall. Auf der Strasse, auf Trails, im Bike­park, auf dem Pumptrack. Die pragmatische und liberale Schweiz hat seit da das schärfste Velogesetz in ­Europa.

Das führt für E-Mountainbiker zu skurrilen Situationen. Wie zum ­Beispiel der Aufstieg auf einer Alp­strasse. Hier gibts keinen Verkehr, aber eingeschaltetes Licht ist Pflicht. Oder die einsame Singletrail-Abfahrt vom Berggipfel. Das ist erlaubt (im Gegensatz zu anderen Alpenländern), aber nur mit eingeschaltetem Licht. Auch die Fahrt im Bikepark oder auf dem Pumptrack ist nur noch beleuchtet gestattet. Die Lichtpflicht gilt notabene nur für E-Mountainbiker. Nicht betroffen von der Regelung ist der unmotorisierte Sportsfreund, der auf den gleichen Strecken und mit der gleichen Geschwindigkeit unterwegs ist. Kurzum: Das Gesetz ist ein real gewordener Schildbürgerstreich.

Wo ist die MTB-Lobby?

Ein neues Gesetz entsteht allerdings nicht über Nacht. Da stellt sich die ­Frage: Wo blieb in der Vernehm­lassung der Widerstand von Organisationen, die sich stets den Einsatz für den Mountain­bikesport auf die ­Fahne schreiben? Imba, Swiss Cycling, Schweiz Mobil oder Velo­suisse nahmen zwar schriftlich Stellung gegen das Gesetz, dabei blieb es aber. Keine Zusammenarbeit, keine Mobilisierung, kein Powerplay. Das irrsinnige Beleuchtungs­gesetz legt schonungs­los offen, wie gut der Schweizer Mountain­bikesport auf dem politischen Parkett vernetzt ist: gar nicht. Wir Mountainbiker schaffen es nicht einmal, ein solch weltfremdes Gesetz zu kippen. Es braucht endlich eine schlagkräftige ­Lobby, um bereit zu sein, wenn der Amtsschimmel das nächste Mal wiehert. Und um diesen unsinnigen Paragraphen wieder aus dem Gesetz zu entfernen.

 
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