Das frechste Teil am Fahrrad ist die Klingel | Ride MTB

Das frechste Teil am Fahrrad ist die Klingel

Fahrradklingel

Ein Klingel am Lenker gehört heute zum guten Ton auf dem Singletrail. Doch eigentlich ist diese kastrierte Hupe ein rotzfreches Teil, meint Thomas Giger in seinem Blogbeitrag. Der Klingelton ist der Imperativ, den jeder versteht und akzeptiert. Doch lieber als rotzfrech wäre er stinkfreundlich – aber Freundlichkeit wiederum verstehen nur wenige. Schade eigentlich.

Stinkfrech rotze ich den Singletrail runter und schrei den Wanderern von Weitem zu: «Geht zur Seite, ich komme!» Ich tue das aber nicht mit dem Mundwerk, sondern mit der Klingel. Denn das ist es, was der Ton einer Fahrradglocke im Kern mitteilt: «Geht zur Seite, ich komme!». Die Fahrradglocke ist die kastrierte Hupe des Radlervolks, und hupen ist in aller Regel kein Akt der Freundlichkeit.

Dabei wollte ich eigentlich gar nie so stinkfrech auftreten. Einst war ich der Meinung, auf diese imperative Klingel verzichten zu können und stattdessen den Wandersleut mit einem freundlichen Grüssen zu begegnen. Freundlichkeit sei mehr Wert als dieser aggressive Klingelton, dachte ich. Falsch gedacht. Mein Grüssen wurde von den Wanderern nicht erwidert, vielmehr kam stets die harsche Frage, ob ich denn keine Klingel habe.

Ich nahm zur Kenntnis, dass Freundlichkeit keine akzeptierte Kommunikationsform zu sein scheint. Also schraubte ich eine trendige Trailbell an den Lenker. Das sind diese geschrumpften Ziegen­glocken, und so tönen sie auch. Mit dem Gebimmel werden die Wanderer früh­zeitig auf mich aufmerksam, was ausgezeichnet funktioniert. Noch viel mehr: Alle finden mich mit diesem Glöcklein irgendwie niedlich. Etwa so niedlich, wie die daher gehoppelte Bergziege, welche sie eigentlich erwartet hätten. Bloss: Ich möchte nicht als niedliche Ziege wahrgenommen werden, sondern als freund­licher Mountainbiker.

Eines Tages habe ich dieses selbstproduzierte Ziegengebimmel in den Abfahrten nicht mehr ausgehalten, also ging ich zurück auf Feld eins: zur traditionellen Fahrradklingel. Stinkfrech rotze ich jetzt wieder den Trail runter und klingle den Wanderern von Weitem zu: «Geht zur Seite, ich komme!» Sie finden das rücksichtsvoll und stehen brav zur Seite. Ich habe freie Fahrt, und die Wanderer sind zufrieden. Ende gut, alles gut, aber irgendwie ist diese Welt komisch. Ich wäre nämlich gerne freundlich gewesen.
 

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