Wie krass werden die Bike-Lieferengpässe 2021? | Ride MTB

Wie krass werden die Bike-Lieferengpässe 2021?

Nach den Lockerungen des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 erfasste die Bike-Branche ein noch nie da gewesener Boom. Das Positive: Viele Menschen fahren Fahrrad. Das Negative: Wer ein neues Velo wollte, musste teilweise monatelang darauf warten – oder ging gar leer aus. Die Lieferengpässe werden sich im Fahrradjahr 2021 voraussichtlich nochmal verschärfen. Preisanstiege kündigen sich ebenso an.

Bereits im Lockdown ab März boomten in den Bike-Shops die Werkstätten, Reparaturen und Service waren schwer gefragt. Spätestens mit den Lockerungen ab April 2020 ertönte neben der Service-Saison gleichzeitig der Startschuss für den Run auf neue Bikes: Die Schweizer Bike-Shops kamen vielerorts an die Kapazitätsgrenze, nicht nur in der Werkstatt - auch im Verkauf hätte man noch mehr umsetzen können, wäre die Verfügbarkeit besser gewesen.

Warum? Der Lockdown in den Fahrradfabriken für Rahmen und Parts beispielsweise in Taiwan oder China zu Beginn des Jahres 2020 bringt erste Lieferverzögerungen und massive Logistikprobleme mit sich. Quarantänemassnahmen und das Umsetzen von Schutzkonzepten setzen den Output in den Bike-Fabriken zusätzlich herab. Anschliessend rollt im Frühjahr – getrieben durch die extreme Nachfrage im Fahrradhandel - eine massive Auftragswelle auf die Parts- und Rahmenhersteller zu. Waren bisher Vorlaufzeiten für Komponenten zwischen vier und zwölf Wochen die Regel, schnellen diese Vorlaufzeiten maximal in die Höhe. Beispielweise für beliebte Reifen oder Sättel, eigentlich durchaus triviale Komponenten, betragen heute die Lieferzeiten bis zu neun Monaten oder gar länger. Branchenexperten sprechen davon, dass Bestellungen, die Fahrradhersteller platzieren, mit Lieferzeiten von mindestens neun bis zwölf Monaten und länger verbunden sind.

Beim andorranischen Bike-Hersteller Commençal zeichnet man dieses Bild der Situation: «Die Beschaffung der meisten Komponenten, die für den Zusammenbau eines Komplettbikes benötigt werden, ist heute extrem schwierig geworden. Sättel, Reifen, Federelemente, Antriebe. Die großen Komponentenmarken wie Shimano, Sram, Fox oder Schwalbe – die hauptsächlich in Taiwan produzieren – geben Lieferzeiten zwischen 9 und 18 Monaten an, während sie normalerweise innerhalb von maximal 3 Monaten liefern können. Dies ist auf Schwierigkeiten bei der Beschaffung bestimmter Rohstoffe oder auf die Schließung verschiedener Fabriken, aufgrund von Covid, zurückzuführen.»

Weiterer Faktor: Die Logistik

Sind die Fahrradteile in Ostasien endlich hergestellt, dann müssen diese den Weg rund um den Globus antreten. Und auch hier sorgt die Corona-Krise für erhebliche Schwierigkeiten. Wiederum von Commençal gibt es ein klares Statement dazu: «Die Lieferzeiten für den Transport von Waren aus Asien in alle anderen Kontinente sind explodiert. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Während wir früher etwa drei Wochen brauchten, um einen Container von Taiwan in die USA zu schicken, benötigen wir derzeit zwischen zwei und drei Monaten. Die Häfen sind überlastet. Die Schiffe liegen mitunter mehrere Wochen an den Hafeneinfahrten und warten darauf, entladen zu werden. Die Kosten für eben diese Transporte sind stark angestiegen. Wir zahlen derzeit im Durchschnitt das Vierfache für den Transport dieses Containers im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres.»

Branchenexperten berichten auch von stark gestiegenen Preisen und Kapazitätsengpässen für Flugfracht. Obwohl Personentransportflugzeuge teilweise für Frachttransporte umgenutzt werden kann das Transportvolumen im stark reduzierten Flugverkehr nicht kompensiert werden. Die Preise für Flugfracht sollen sich um den Faktor Zwei bis Vier verteuert haben.

Und die Preise für Bikes?

Apropos Preise: Für das Jahr 2021 stehen bei zahlreichen Bike-Herstellern Preiserhöhungen ins Haus. Commençal sagt zu den Wechselkursen: «Die Währungen unserer wichtigsten Länder - Vereinigte Staaten, Kanada, Europa, Australien - sind gegenüber dem taiwanesischen Dollar deutlich gefallen. Der Herstellungspreis unserer Fahrräder ist daher innerhalb weniger Monate stark gestiegen.»

Schlussendlich wird auch das ökonomische Prinzip «Hohe Nachfrage, reduziertes Angebot» dafür sorgen, dass die Preise sicher nicht sinken werden. Bereits im Oktober 2020 hat die Custom Made-Fahrradmanufaktur Velotraum jedoch darauf hingewiesen, dass sich die Fahrradbranche auch auf eine Blase hin bewegen könnte. Wenn ungünstige Faktoren dazu kommen – beispielsweise ein vollkommen verregneter Frühling – kann die Produktions-Hausse dafür sorgen, dass eine Überproduktion stattfindet. Eines bleibt sicher: Für Fahrradhersteller und Bike-Shops ist und bleibt es sehr anspruchsvoll, die richtigen Bikes in der richtigen Menge vorrätig zu haben. Und die Corona-Krise hinterlässt ihre Spuren voraussichtlich nicht nur im bevorstehenden Jahr 2021, sondern auch darüber hinweg.


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