Weshalb entert Migros mit Bike Shops den Schweizer Velomarkt? | Ride MTB

Weshalb entert Migros mit Bike Shops den Schweizer Velomarkt?

Die Migros führt Gesundheitszentren, Klubschulen, Lebensmittelläden – und neu grossflächige Bike Shops. Weshalb macht das der orange Riese? Radio SRF sucht dazu Antworten. Zur Zukunft des klein strukturierten Schweizer Velofachhandels kommt auch Peter Sommer, Präsident des Schweizerischen Zweiradgewerbes zu Wort.

Big Names sind an Bord: Migros rührt mit grosser Kelle an, in den Filialen stehen bis zu 450 Bikes, mitunter von den Marken Trek, Scott, Giant, Flyer, Haibike, Ghost, Tour de Suisse, Diamant, Creme, Radio und Puky.

Bis zu zehn Migros-Bike World-Shops in fünf Jahren

In Volketswil hat Migros den ersten grossflächigen Bike-Shop Anfang März eröffnet, in den nächsten Wochen folgen zwei weitere Shops in Muri bei Bern und in Winterthur. In den nächsten fünf Jahren will Migros bis zu zehn dieser grossflächigen Shops, die unter dem Namen Bike World by SportXX firmieren, auf die Schweiz verteilen.

Die Schweizer Medien greifen derzeit die Migros-Expansion in den Velofachhandel auf. Radio Energy und Radio SRF berichten über die Effekte, die der Markteintritt des orangen Riesen auf die Schweizer Velobranche auslöst.

David vs Goliath

Im Interview mit Radio Energy sagt Peter Sommer, Präsident des Schweizer Fahrradgewerbes: «Migros ist ein Player mehr im Markt. Und nimmt den kleineren Betrieben Stückzahlen weg». Auf eine weitere mögliche Marktbewegung durch die Einkaufsmacht von Migros macht Sommer bei Radio Energy aufmerksam: «Die kleineren Betriebe können nicht mehr nachordern, da Migros schon alles zusammengekauft hat». Weiter resümiert Sommer, dass aufgrund der Unmöglichkeit Bikes nachbestellen zu können, den kleineren Bikeshops weiter die Kundschaft weglaufen werde.

Eine grössere Katastrophe

Auch die SRF-Radiosendung Echo der Zeit nimmt sich der Migros-Expansion in den Fahrradhandel an. Peter Sommer formuliert im Interview in der abendlichen Hintergrundsendung seine Sorgen, dass die kleinen Veloladenbesitzer aus dem Markt verdrängt werden könnten. «Für uns Fahrradfachhändler in der Schweiz ist das eine mittlere bis grössere Katastrophe». Wie das Echo der Zeit meldet, sind rund 80 Prozent des Velomarktes in der Hand des Fachhandels, der von kleinen Strukturen geprägt ist. Und Sommer äussert Bedenken, dass sich der Marktanteil des Fachhandels in Zukunft stark reduzieren könne. Vor allem für Betriebe mit ein bis fünf Mitarbeitenden sieht Sommer schwarz. Deren Besitzer seien oft schon älter und hätten keine Perspektiven mehr, wenn sie den Veloladen schliessen müssten.

Fachhändler haben keine Chance gegen Migros

Christoph Lechner, Professor für strategisches Management an der Universität St. Gallen, kommt im SRF-Beitrag auch zu Wort. Lechner könne die Verärgerungen der kleinen Velohändler verstehen. Wenn die Migros in einem Dorf gegen einen Fachhändler antrete, so habe dieser auf Dauer keine Chance. Die Migros könne viel mehr Marken anbieten als der Fachhändler und von der Einkaufspolitik habe der Fachhändler gegen die Migros keine Chance, die Migros sei am viel grösseren Hebel, um Reduktionen im Einkauf zu erhalten. Auch vom ganzen Know-How, wie ein Laden zu führen ist, «ist die Migros vorneweg», so Lechner im SRF-Interview.

Markt ist gross genug, sagt Migros

Migros-Pressesprecherin Monika Weibel entgegnet den Ausführungen von Lechner jedoch lapidar: «Der Markt ist eigentlich gross genug». Auch in Zukunft sei gemäss Weibel genügend Potential vorhanden für Fachhändler jeder Grösse, vom kleinen Einmannbetrieb bis zum Migros-Shop mit über 1000 Quadratmetern.

Weshalb macht die Migros diese Expansion?

Interessant im SRF-Bericht sind die Ausführungen von HSG-Professor Lechner, weshalb die Migros die Expansion in den Velohandel tätigt. Die Migros habe «jedes Jahr 600 bis 800 Millionen Franken übrig». Aufgrund der Genossenschaftsstruktur seien keine Aktionäre abzugelten, sondern das Geld stehe für Investitionen respektive die Ausbreitung in neue Geschäftsfelder bereit. Auch ein Grund für die inländische Expansion sei der Misserfolg der Migros im Ausland.

Um jeden Preis wachsen?

Doch muss die Migros als Genossenschaft um jeden Preis wachsen und dem lokalen Gewerbe die Existenz streitig machen, so wie nun den Velohändlern? So stellt sich die Frage für SRF-Wirtschaftsredaktorin Denise Schmutz am Ende des Beitrags. «Ich denke, die Migros müsste jetzt nicht unbedingt da rein», kommentiert Lechner. Würde die Migros keine Expansion mehr tätigen, so würde sie als Konzern stagnieren und eine grössere Kapitalbasis bilden, die jedes Jahr um bis zu 800 Millionen Franken ansteige, so Lechner weiter.

Hat die Weko ein Veto?

Auch die Wettbewerbskommission Weko habe den Expansionskurs auf dem Schirm, man beobachte die Situation, berichtet das Echo der Zeit. Patrik Ducrey sagt im SRF-Interview: «Mit dem Kartellgesetz können wir solches organisches Wachstum nicht kontrollieren. Wir können nur einschreiten, wenn die Migros eine Übernahme eines bisher unabhängigen Unternehmens tätigen würde und die Umsatzschwellen, die im Kartellgesetz vorgesehen sind, überschritten würden»

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Im Bike World in Volketswil gibt es gleich zum Start sehr grosszügig Rabatt. Es handelt sich um ein Eröffnungsangebot mit einem 2016er Auslaufmodell.

Themenbezogene Interessen des Autors: Tobias Gütlin führt einen Bikeshop in Binningen/BL und arbeitet als Redaktor für Ride / Swiss Sports Publishing.


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