Warum Akkus explodieren – und was man dagegen tun kann | Ride MTB

Warum Akkus explodieren – und was man dagegen tun kann

Brennende und explodierende Akkus sorgen regelmässig für Schlagzeilen. Wirklich gross ist das Risiko nicht, trotzdem sollte man E-Bike-Batterien Sorge tragen (wie auch allen anderen Lithium-Ionen-Akkus).

Lithium-Ionen-Akkus kommen überall dort zum Einsatz, wo auf kleinem Raum und bei geringem Gewicht möglichst viel elektrische Energie gespeichert werden soll: In Smartphones und Laptops, in Elektroautos und auch in E-Bikes. Lithium-Ionen Akkus weisen von allen wieder aufladbaren Batterien die höchste Energiedichte auf, und diese kann im ungünstigen Fall in einer heftigen Verbrennung freigesetzt werden. Thermisches Durchgehen (engl. thermal runaway) ist der technische Begriff für Batteriezellen, die sich infolge eines Kurzschlusses oder Überladung in einer Kettenreaktion innert Sekundenbruchteilen so aufheizen, dass sie schliesslich in einer Stichflamme aufgehen. In E-Bike-Akkus sind oft um die 50 einzelne Zellen verbunden. Brennt eine, entzündet sie in den meisten Fällen alle weiteren.
Doch wie gross ist die Gefahr eines Brands des Akkumulators wirklich? In der Risikoabschätzung unterscheidet man zwischen der Wahrscheinlichkeit, mit der ein unerwünschtes Ereignis eintritt und dem zu erwartenden Schaden. Angesichts von Milliarden Lithium-Ionen-Akkus in Gebrauch und Millionen weiterer, die gerade von Fertigungsstätten in Läden und Lager transportiert werden, brennen ausgesprochen wenige. Wäre die Gefahr grösser, würden für Smartphones in Flugzeugen mit Sicherheit andere Regeln gelten, als dies zurzeit der Fall ist.
Doch brennt eine Batterie tatsächlich, kann der Schaden beträchtlich sein. Der Mann, in dessen Hosentasche ein E-Zigaretten-Akku durchging, trug schwere Verbrennungen davon. Es brauchte aber eine Verkettung unglücklicher Umstände – ein beschädigter Akku und lose Münzen, die den Kurzschluss herstellten – damit die Kettenreaktion in Gang gesetzt wurde. Das Gleiche gilt für brennende E-Bike-Akkus. Der Anteil der explodierenden Energiespeicher ist verschwindend klein, aber wenn es passiert, dann kann es heftig werden. Wie heftig zeigt beispielsweise dieser Instruktionsfilm von arbeitsfilm.de.

Gefahr Nummer eins: mechanische Schädigung

Was E-Mountainbiker beachten müssen, ist, dass auch mechanische Schädigungen einen internen Kurzschluss auslösen können. Marcel Held, der sich bei der Empa unter anderem mit der Zuverlässigkeit und Sicherheit von Energiespeichern auseinandersetzt, warnt: «Wenn die Batterie offen liegt und auf einen scharfkantigen Stein knallt, dann ist die Gefahr eines thermischen Durchgehens doch relativ gross. Wenn man einen Nagel in eine Batterie schlägt, dann passiert es sofort.»
Die kritische Reaktion geschieht aber nicht immer direkt nach der Schädigung. Diese kann so gering sein, dass sich die Temperatur über Stunden oder sogar Tage langsam aufbaut, bis sie den kritischen Wert erreicht, ab dem es blitzschnell geht. Held nennt das Beispiel eines verunfallten Elektroautos, das abgeschleppt wurde und dessen Akku drei Tage später durchging. Gefährlich wird es schon ab einer Temperatur von 60 Grad Celsius.
Was soll man also tun, wenn man mit dem E-Mountainbike gestürzt ist? Hat der Akku oder der ihn umgebende Teil des Rahmens sichtbar Schaden genommen, dann ist Vorsicht geboten (mit einem Riss im Rahmen sollte man sowieso nicht weiterfahren). Erwärmt er sich, tritt gar Rauch aus? Dann sollte man ihm nicht mehr zu nahekommen. Hat er sich erst erwärmt oder gebläht, dann depoiert man den Akku oder das Bike am besten im Freien – jedoch nur ohne sich selber oder andere zu gefährden. Der Brand eines E-Bike-Akkus dauert ein paar Minuten, wobei grosse Mengen giftigen Rauchs entstehen. Fängt nichts weiteres Feuer, ist die Gefahr dann vorbei.

Gefahr Nummer zwei: Hitze von aussen

Selbst starke Sonneneinstrahlung kann eine Batterie von aussen so aufheizen, dass im Innern die Kettenreaktion ausgelöst werden kann. Konkrete Fälle sind nicht bekannt. Held empfiehlt, das E-Bike nicht in der prallen Sonne abzustellen oder falls nicht anders möglich, den Akku abzudecken.

Gefahr Numer drei: Aufladen

Einen Akkumululator zu überladen oder einen komplett entladenen zu schnell aufzuladen, kann Experten zufolge das Durchbrennen ermöglichen. «Die Frage ist, wie intelligent das Batterie-Management-System ist», schränkt Held ein. Mit diesem System ist die elektronische Steuerung des Ladens und Entladens der Batterie gemeint. Wenn ein Akku vollständig entladen ist und monatelang nicht wieder aufgeladen wird, dann kann es in seinem Inneren zu einer chemischen Reaktion kommen: Metall wird abgeschieden, es können sich Dendriten, winzige Nadeln, bilden, welche einen Kurzschluss auslösen können. «Ein intelligentes Batterie-Management-System verhindert, dass der Akku geladen werden kann, wenn wenn er in den Zustand der Tiefentladung gekommen ist», verdeutlicht Held, was eine der Aufgaben des BMS ist. Versorgt man den komplett leeren Akku nach einem Winter im Keller wieder mit Strom, sollte man dies in einer unbrennbaren Umgebung tun und von Zeit zu Zeit nachsehen, ob er heiss wird oder sich bläht. Eine Möglichkeit ist, ihn während des Ladens in einen grossen Pflanzentopf aus Ton zu legen.
«Komplette Entladung wie auch vollständige Ladung sind für den Akku eine Stresssituation», verdeutlicht Held, «der Akku altert schneller, verliert schneller an Kapazität.» Aus diesem Grund melde der Tesla Vollladung, wenn der Akku in Wahrheit nur zu 95 Prozent geladen ist. Auch komplette Entladung kann vom BMS verhindert werden. «Als Anwender weiss man aber meistens nicht, welche Limiten programmiert wurden», erklärt der Experte. Als Faustregel empfiehlt es sich, den Akku zwischen 20 und 80 Prozent zu nutzen. «Gelegentlich ganz vollladen, ist aber auch sinnvoll, weil dann alle Zellen wieder auf das gleiche Niveau kommen, was bei teilweiser Ladung nicht der Fall ist.»

Gefährliche Billig-Akkus?

Fragt sich zuletzt, ob es Qualitätsunterschiede gibt, ob billige Akkus gefährlicher sind als teure und ob renommierte Hersteller in ihre kostspieligen Modelle auch hochwertigere und sicherere Batterien einbauen lassen. «Ja, es gibt Qualitätsunterschiede. Aber oft sieht man einem Akku von aussen nicht an, ob er von guter Qualität ist oder nicht. Gute Zellen können in einem undichten Gehäuse stecken oder das BMS kann ein Gebastel sein.» Marcel Held untersucht gerade eine Serie durchgebrannter E-Bike-Akkus, deren Gehäuse undicht war. In die Batterie eindringendes Wasser kann, so seltsam dies klingt, einen Brand verursachen, indem es einen Kurzschluss herstellt.
Es gibt ein weltweit genormtes Prüfverfahren, welches Akkumulatoren durchlaufen müssen, bevor sie transportiert werden dürfen. Dieses stellt sicher, dass sie den Transport zum Verarbeiter (z.B. dem E-Bike-Hersteller) oder Endkunden gut überstehen. Helds Erfahrungen mit aus verschiedenen Gründen mangelhaften Batterien zeigen, dass dieses Prüfverfahren nicht alle Risiken ausschliesst. Genauso wichtig ist aber, dass alle Nutzerinnen und Nutzer von Akkus die wichtigsten Sicherheitsregeln befolgen und die Warnzeichen wahrnehmen.