Test: Specialized Turbo Kenevo Expert – Freeriden unter Strom | Ride MTB

Test: Specialized Turbo Kenevo Expert – Freeriden unter Strom

Mit dem «Turbo Kenevo Expert 6Fattie - NB» erweitert Specialized ihr E-Mountainbike-Portfolio um ein auffälliges Bike. Doch sind 180 Millimeter Federweg an einem solchen Gefährt überhaupt nötig, gerade wenn der kleine Bruder «Levo» schon potent genug ist, um es ordentlich krachen zu lassen? Wir durften es herausfinden.

Optisch ist das Kenevo eine Wucht – sprichwörtlich, denn das E-Freeride-Bike mit seinen 180 Millimetern Federweg an Front und Heck wirkt ordentlich massig. Nicht scheint es aus der Ruhe zu bringen. Dafür sorgt der FSR-Hinterbau zusammen mit dem TTX22M-Stahlfederdämpfer des Schwedischen Federungsspezialisten Öhlins. Vorne arbeitet eine alte Bekannte in der neusten Version – die  Lyrik RCT3 in der Solo-Air-Variante.
 

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 Ob in Black/Cali Fade/Hyper oder Gloss Black – das Turbo Kenevo ist ein Hingucker.

 
Während die Federelemente schon mal vom Namen überzeugen, darf sich auch die restliche Ausstattung sehen lassen. Dabei sticht ausgerechnet die Variosattelstütze unter den weit prägnanteren Teilen hervor: Sie trägt zwar ebenfalls den Namen «Command Post», aber Specializeds hauseigene Variostütze die hier verbaut ist, trägt den Zusatz «WU». Der Clou an ihr ist, dass der Sattel ganz normal montiert werden kann, sobald sie aber abgesenkt wird, neigt er sich nach hinten, analog der Sattelposition eines Downhillbikes.
 
Dadurch, dass der WU-Mechanismus die Sattelnase bei abgesenkter Stütze um 14 Grad nach oben neigt, hat der Fahrer mehr Bewegungsfreiheit über dem Sattelheck – wie an Downhillbikes. Bei ausgefahrener Stütze hat man zum Pedalieren wieder alle Vorzüge eines herkömmlich montierten Sattels.
 

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Die Command-Post WU – eine Innovation die gerade auch bei Enduro-Bikes der Hit sein dürfte.

 
Bei der Schaltung setzt Specialized auf Sram’s GX-Schaltung mit «one-click shift» Schalthebel. Dabei wird die Kraft über ein 32er-Kettenblatt, über die Kassette mit 11-42 Zähnen auf die Laufräder übertragen. Diese bestehen aus hauseigenen Boost-Naben mit 24 Speichen vorne und deren 28 hinten, DT-Swiss-Speichen und Roval-Traverse-Felgen mit Hookless-Profil und 38 Millimetern Maulweite. Bereift sind die Laufräder mit den neuen und robusten Butcher mit Grid-Karkasse und griffiger Gripton-Gummimischung. Die Reifenbreite der 27.5-Zoll-Plusreifen beträgt 2.8 Zoll.
 

No Bergbahn – no Problem!

Nein, auf der Waage hatten wir das Bike nicht, aber ein Leichtgewicht ist es keinesfalls. Trotzdem, der Weg zu den Abfahrtsstrecken wird pedalierend in Angriff genommen. Das Gewicht gerät sofort in Vergessenheit und der Turbo-Motor der neusten Generation schnurrt leise unter den Pedalumdrehungen. Dies sehr stetig und selbst im Turbo-Modus mit anhaltender Leistungsabgabe.
 
Die Position auf dem Turbo Kenevo taugt erstaunlich gut fürs hochfahren, auch wenn das bei diesem Bike nicht zu vermuten wäre. So gehen auch längere Bergfahrten ohne Kreuzbeschwerden von statten, selbst wenn man dies mit sportlicher Gangart tut. Auch steile und technischere Anstiege lassen sich mit diesem Boliden problemlos bewältigen. Hier ist eher die Fahrtechnik als die eigene Kraft oder das Bike der limitierende Faktor.
 
Die Akkuanzeige zeigt zu Beginn der ersten Testfahrt volle zehn Balken an. Einer entspreche zehn Prozent Akkuladung. Vom Start bis zum Trail-Einstieg sind es rund 300 Höhenmeter, gemischt mit flacheren und steileren Sektionen. Oben angekommen zeigt der Akkustand immer noch neun Balken an. Hab ich wirklich nur zehn Prozent verbraten? Ich bin mir dessen nicht ganz sicher, doch auch nach zwei weiteren Berg- und Talfahrten zählt die Anzeige nur jeweils einen Balken ab. Das klingt vielversprechend und nach einer höhenmeterreichen E-Bike-Tour mit nur einem Akku. Aber 3'000 Höhenmeter? Das ist ganz schön viel. Austesten konnte ich das nicht, aber selbst wenn mit rund 75 Kilogramm Fahrergewicht auch 2'000 Höhenmeter damit drinliegen, ist es schon einen super Wert. Auf diese Angaben gebe ich keine Gewähr, aber nach Möglichkeit werden wir die Akkuleistung des Kenevo nochmals genauer austesten. Sicher ist aber, dass Motor und Akku hervorragend zusammen harmonieren.
 

Nur Fliegen ist schöner

Bergab bietet das Testgelände von flowigen zu knüppelharten Trails mit natürlichen Steingärten, Wurzeln und anständigen Sprüngen alles. Auffallend auf den ersten Metern ist, dass das Turbo Kenevo sehr gut liegt. Hohe Geschwindigkeiten sind also gar kein Problem. Nebst dem tiefen und gut ausbalancierten Schwerpunkt sorgt auch der Hinterbau für ordentlich Bodenhaftung. Die Bremslöcher in den zahlreichen Anliegerkurven werden regelrecht plattgebügelt. Dabei machen die neuen Butcher-Grid-Reifen auch einen guten Eindruck. Sie bieten viel Gripp und einen hohen Pannenschutz.
 
Auch knackige Abfahrten Wurzeln und Steinen mag das Kenevo: Sein Fahrwerk mag wirklich viel einstecken. Wird das Gelände verblockt, kommt manchmal das Gefühl auf, dass das Bike etwas mehr zwischen den Steinen stockt, als ein nicht Motorisiertes. Das ist mir allerdings auch schon bei anderen E-Mountainbikes aufgefallen und dürfte auf das tiefliegende zusätzliche Gewicht zurückzuführen sein – also definitiv kein «Kenevo-Problem», sondern eine Eigenart der E-Mounainbikes. Fairerweise muss auch gesagt sein, dass die Unterschiede zwischen E- und normalem Freeridebike gering sind.
 

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Technisch, ruppig oder schnell? Für das Kenevo kein Problem. Foto ©Alex Quesada
 
Das Kenevo ist super laufruhig, selbst wenn es unter den Laufrädern ordentlich rumpelt. Wer jetzt meint, dass das Gefährt träge ist, der liegt falsch. Für ein E-Mountainbike mit solcher Laufruhe lässt es ordentlich mit sich spielen und vor allem springen. Die Sprünge des Bikeparks stellen das Turbo Kenevo vor keine Probleme. Das Bike liegt sehr ruhig in der Luft, und doch lässt es sich damit auch whippen – also quer stellen. Geht ein Flug mal etwas zu weit, wird man vom Bike bestens aufgefangen. Aber Achtung! Die Kraft den Lenker festzuhalten, sollte man schon haben, ansonsten nützt das beste Bike nichts.
 

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Wenn man selbst nicht so akurat springen kann, muss halt Kollege Chris von MTB-News herhalten. ;)
 

Fazit

Wer dem Downhill-Sport frönen will, aber weder eine Bergbahn noch Shuttle-Möglichkeiten vor der Nase hat, wird mit dem Turbo Kenevo eine dicke Freundschaft eingehen. Es fährt sich gut bergauf, überzeugt durch seine gute Leistungsentfaltung sowie den leistungsfähigen Akku. Bergab ist es eine Granate, die sich trotz ihres hohen Gewichts super manövrieren und springen lässt. Mit 7'299.00 Franken ist das Kenevo zwar kein Schnäppchen, aber ganz ehrlich, ein gutes Enduro- oder Downhillbike kostet nicht weniger, oder oft noch mehr.
 
www.specialized.com/turbokenevo


Alles Wissenswerte zu Specialized gibts im Ride-Brandguide für Specialized

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