Test: Rocky Mountain Altitude Powerplay Carbon 70 – bärenstark und hungrig | Ride MTB

Test: Rocky Mountain Altitude Powerplay Carbon 70 – bärenstark und hungrig

Die kanadische Bike-Schmiede ist eine der wenigen Hersteller, die auf einen eigenen Motor setzen. Kürzlich wurde dessen vierte Generation vorgestellt: der Dyname 4.0. Er bietet bis zu 108 Newtonmeter Unterstützung. Wie sich so viel Power fährt, haben wir getestet.

Das Altitude Powerplay hat 170 Millimeter Federweg an der Front und 160 am Heck. Der Rahmen ist mit Rockys Ride-4-System ausgestattet, das vier unterschiedliche Anlenkungen des Federbeins erlaubt und die Geometrie verstellt. Das Bike wurde in der Slack-Position getestet, die Variante mit dem tiefsten Tretlager, ideal für einen aggressiven Fahrstil und somit passend für ein potentes E-Enduro.

Was zeichnet dieses Produkt aus:

•    Herausnehmbare, grössere Batterie, kleinerer Motor
•    Display im Oberrohr integriert (vs. iWoc von früher)
•    Branchenführendes Drehmoment von 108 Newtonmeter

Aussage von: Corinne Iten, Marketing Manager Bike, Chris Sports AG

Besonderheiten

•    Dyname-Motor 
•    Ride-4-Verstellsystem
•    Geschraubte Dämpferaufnahme
•    Display im Oberrohr
•    Endanschlag für Federgabel am Unterrohr
•    High-Pivot-System

In der Ebene

Eine sportliche Sitzposition braucht dieses Bike nicht. Dank dem starken Motor ist eine aufrechte Haltung ganz angenehm. Mit der höchsten Unterstützungsstufe «Ludicrous» – zu Deutsch lächerlich – erreicht man mit wenigen Kurbelumdrehungen schon die maximale Geschwindigkeit. Ja, 108 Newtonmeter Power sind spürbar viel. Ohne Unterstützung rollt das Altitude zäh, da bremsen die Downhill-Reifen mit Cush-Core-Einlage ordentlich ab. Das Lenkverhalten ist in der Ebene etwas träge, das kommt vom flachen Lenkwinkel von 63.5 Grad.

Berg hoch

Powerplay heisst das Motto bergauf. Bei circa 85 Pedalumdrehungen pro Minute entfaltet der Motor die meiste Kraft. Da braucht man selbst keine, aber viel Schnauf, um die Kadenz über längere Zeit zu halten. Auf Forststrassen ist das Tempo so hoch, dass der Fahrtwind beinahe die Motorengeräusche übertönt. In Kurven muss man meist kurz mit dem Treten aufhören, da geht es schnell und mit Schräglage durch und die Gefahr besteht, dass die Pedale am Boden aufsetzt. Dasselbe gilt verblockte Trails hoch: Das softe Heck taucht weit ein und schnell «hängt» man am Untergrund ein. Die ausgewogene Geometrie und der kraftvolle und dennoch bestens zu dosierende Motor machen das Rocky zu einem sehr guten Kletterer – viel besser, als man es von so einem langhubigen Bike erwartet. Doch hat so viel Kraft auch seine Grenzen. Beim Härtetest auf einer sehr steilen Asphalt- und Schotterstrecke – 90 Umdrehungen und 25 km/h Dauerleistung über mehr als 15 Minuten – wird der Motor in die Knie gezwungen. Er überhitzt und gibt nur noch wenig und ruckartig Unterstützung. Das ist unerwartet, doch muss ehrlicher Weise erwähnt werden, dass kein anderer Motor bisher in der Lage war, diese Rampe mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25 km/h zu meistern. Da war stets bei etwa 22 km/h Schluss. 

Gemäss Rocky Mountain konnte bei der nachträglichen Auswertung der Fehlercodes keine Überhitzung des Motors ausgelesen werden. Allerdings hatte das Vorserien-Bike ein Problem beim Torque-Sensor, was das «Stocken bzw. Holpern» verursachte. Das Problem mit diesem Sensor ist bei den Serienmodellen bereits behoben worden.

Berg runter

In der Abfahrt spielt das Altitude seine Trümpfe aus. Die Fox-Gabel und das Federbein aus demselben Haus harmonieren perfekt. Das Fahrwerk ist anfangs supersoft, im mittleren Bereich hat es gut Gegendruck und verhärtet sehr spät. Es gibt selten den ganzen Hub frei, nicht mal, wenn man mit viel Speed durch tiefe Kompressionen knallt. Auch wenn diese Reserven kaum gebraucht werden, entsteht nie das Gefühl, zu wenig Federweg zu haben. Im Gegenteil, das Bike saugt den Untergrund regelrecht auf und es ist erstaunlich, dass oft nur zwei Drittel des Hubs am Heck genutzt werden. Das Rocky hält treu die Linie, braucht aber etwas Körpereinsatz. Hat man den Dreh mal raus, fährt es sich sehr verspielt.

Fazit

Das Rocky Mountain Altitude Powerplay Carbon 70 hat Bärenkräfte, zieht aber auch dementsprechend viel Strom. Das mit der Überhitzung des Motors war ein Problem der Vorserie. Zum Glück, denn rein von der Fahrperformance her hat das Bike mehr als überzeugt. Es klettert so gut wie ein kanadischer Braunbär und bergab merkt man, dass die Entwickler unweit des Whistler-Bikeparks zu Hause sind: Fahrspass pur.

Empfehlung

Wer gerne springt oder Strecken mit hohen Anliegern fährt, ist gut beraten, das Setup mit fünf bis zehn Prozent mehr SAG einzustellen. So gibt es den nötigen Gegendruck.

Spezifikationen

Rahmenmaterial: Karbon
Preis: CHF 10’299.00 (ab CHF 7999.00 in Alu)
Gewicht: 25 kg (Rahmengrösse M, mit Pedalen)
Federweg:  170 mm vorne / 160 mm hinten
Motor: Dyname 4.0 Mountain Bike Drive, 250 W, 108 Nm
Akku: Rocky Mountain, 720 Wh
Federgabel: Fox 38 Float Evol Grip Performance Series
Federbein: Fox Float X2 Performance 
Schaltung:  Shimano Deore XT
Bremsen:  Shimano Deore XT, 4-Kolben, 203 mm
Kurbelgarnitur:  Race Face Aeffect Cinch
Laufräder: Felgen: WTB ST i30 TCS 2.0 
Nabe V: Rocky Mountain
Nabe H: DT Swiss Hybrid 370
Reifen:  V: Maxxis Assegai 3C Maxx Grip DD, 29 x 2.5 WT
H: Maxxis Minion DHR II 3C Maxx Terra DD, 29 x 2.4 WT
Sattel: WTB Volt Race 142
Sattelstütze: Race Face Aeffect R Dropper, 150 mm
Vorbau: Rocky Mountain 35 AM, 40 mm 
Lenker: Rocky Mountain AM, 780 mm, 38 mm Rise

Geometrie

Alle Daten hier: Link

Hersteller

www.bikes.com

Testbericht erschienen in Ausgabe No. 80 von Ride Magazin.
 


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