Luca Braidot profitiert wieder, Nino Schurter und Ramona Forchini erkämpfen sich Platz 3 | Ride MTB

Luca Braidot profitiert wieder, Nino Schurter und Ramona Forchini erkämpfen sich Platz 3

Luca Braidot doppelt nach und siegt nach einem starken Rennen, wobei er von einem Defekt des bis dahin führenden Vlad Dascalu profitiert. Nino Schurter kämpft sich auf Platz 3 vor. Alessandra Keller bricht nach starker erster Rennhälfte ein, dafür fährt Ramona Forchini bärenstark auf Platz 3. Überlegene Siegerin ist die Holländerin Anne Terpstra. Valentina Höll und Loris Vergier gewinnen die Downhill-Rennen dieses Weltcup-Wochenendes in Vallnord, Andorra.

Wenn in der Live-Übertragung eines Rennens nach dem Wechsel auf die nächste Kameraeinstellung kein Fahrer auftaucht, dann ist irgendetwas Unerfreuliches passiert. Der Fahrer, den die Kamera erwartet hat, ist das rumänische Riesentalent Vlad Dascalu. An diesem Tag hätte er endlich sein erstes Elite-Rennen gewinnen müssen, auf der Schlussrunde hatte er sich gerade von der Spitzengruppe abgesetzt. Was genau kaputt gegangen ist, zeigen die TV-Bilder nicht, jedenfalls muss er die brutalste Steigung der Strecke in einer viel zu grossen Übersetzung hochwuchten.

Profiteur ist schon wieder  Luca Braidot (ITA), der den Spanier David Valero Serrano abschüttelte und nach seinen Sieg in der Lenzerheide innert einer Woche zum zweifachen Weltcup-Sieger wird. Er hat es mehr als verdient, gab er doch im Short-Track-Rennen am Freitag den sicheren Sieg wegen eines Kettenzwischenfalls aus der Hand. Vom Defekt Dascalus profitiert am Sonntag auch Nino Schurter, der sich mit letzter Kraft auf Platz 3 kämpft, nachdem er zwischenzeitlich ausserhalb der Top 10 gefahren ist. Ein Glanzergebnis liefert auch Vital Albin als Sechster – bestes Elite-Ergebnis für den Bündner. Mathias Flückiger ist  krankheitsbedingt nicht gestartet.

Resultate Männer

Keller bricht ein, Forchini dreht auf

Alessandra Keller fährt in Vallnord im gleichen Stil fort, wie sie das Short-Track-Rennen gewonnen hat: aggressiv nach vorne orientiert. Nur Anne Terpstra ist noch stärker. Die Schweizer führt während der Hälfte des Rennens die erste Verfolgergruppe an. Doch dann explodiert sie unter den brutalen Bedingungen von Vallnord, mit über 30 Grad Hitze auf 2000 Metern über Meer und dem Boden so trocken wie ein Weihnachtskeks im Sommer. Hinzu kommen die spitzen Schieferplatten, die immer für einen Platten gut sind. Gleich zweimal erwischt es Rebecca McConnell (AUS), die bis zum ersten Plattfuss vorne mitmischt.

Anne Terpstra lässt sich von all dem nicht beirren und als Vorderste schluckt sie auch keinen Staub. Ihren Vorsprung auf die Zweitplatzierte Mona Mitterwallner (AUT) vergrössert sie auf über einen Minute. Dahinter taucht plötzlich eine Schweizerin auf, mit der kaum jemand gerechnet hat: Ramona Forchini. Seelenruhig überholt sie Pauline Ferrand Prévot und nimmt die Schlussrunde auf Platz 3 in Angriff. Eine weitere Österreicherin, Laura Stigger, schliesst zu Forchini auf. Mona Mitterwallner fährt ungefährdet auf Platz 2. Und dann taucht tatsächlich Ramona Forchini als Nächste auf. Davor noch nie in den Top Ten der Elite, fährt sie auf den dritten Platz. Anne Terpstra erinnert im Siegerinnen-Interview an ihren ersten Sieg in Andorra 2020: «Meinen ersten Sieg hier konnte ich überhaupt nicht geniessen, ich war so drin. Darum habe ich mir vorgenommen, meinen nächsten Sieg auszukosten.»
Resultate Frauen

Höll mit Wahnsinnslauf, Balanche fehlerhaft

Der neue Downhill-Kurs in Vallnord ist trocken, staubig und schnell, sehr schnell. Die Sprünge im oberen Teil gehen weit und stellen zusammen mit dem Wind die Athleten vor neue Probleme. Der Flow-Trail-Abschnitt leidet schwer unter den aggressiven Downhill Pros und braucht danach sicher einen Reshape. In den technichen Sektionen macht den Fahrern die zu Pulver zerriebene Erde und die unzähligen scharfen Steine das Leben schwer. Es fahre sich, als ob es nass und schlammig ist, zitiert Ko-Kommentatorin Ines Thoma eine der Athletinnen. Kurzum, es ist angerichtet für ein spektakuläres und spannendes Rennen, in dem es noch entscheidender ist als sonst, das richtige Mischung aus Risiko und Angriff zu finden.

Wie das geht, zeigt an diesem Tag das Riesentalent und Sorgenkind der Downhillerinnen: Vali Höll (AUT). Sie hat Mühe, in ihrer zweiten Elitesaison ihre Läufe runterzubringen. Auch die Qualifikation und der Trainingslauf vor dem Finale gelingen ihr nicht wunschgemäss. «Ich habe versucht, in den Passagen, die mir liegen, so viel herauszuholen, wie ich kann und in den anderen Sektionen möglichst wenig Fehler zu machen», erklärt sie im Ziel. Zusammen ergibt das einen Wahnsinnslauf und eine überdeutliche neue Bestzeit für die Vierte nach der Qualifikation. Myriam Nicole greift ihre Zeit scheinbar erfolgreich an, bis sie in einem Steilstück abseits der TV-Kameras stürzt. Das reicht immer noch für Platz 5. Nina Hoffmann gibt zu Protokoll, einen Safety Run gefahren zu sein. Trotzdem ist sie sehr schnell unterwegs und klassiert sich auf Platz 2, 3,5 Sekunden hinter Höll.

Fehlt also nur noch Camille Balanche, der in dieser Saison fast alles gelingt. Die technisch starke Romande ist im oberen Teil mit den grossen Sprüngen erwartungsgemäss nicht ganz so schnell wie Höll. Ihr Terrain ist die steile, technische untere Streckenhälfte. Dort aber reiht sie Fehler an Fehler, kann zweimal nur knapp einen Sturz verhindern und nimmt in einer Kurve den Fuss raus, wo dies keine der anderen Spitzenfahrerinnen tat. Doch auch mit diesem verkorksten Lauf verliert sie nur eine Zehntelsekunde auf Nina Hoffmann und macht als Dritte ein seltens Podium perfekt: Österreich vor Deutschland und der Schweiz.
Resultate Final Frauen

Junior Jackson Goldstone ist noch schneller als Elite-Sieger Vergier

Bei den Männern zeigt sich schon bei den ersten Fahrern im Final, dass das Tempo zu hoch ist für die Dimension der Sprünge – wer sie nicht drückt, fliegt zu weit. Zum Glück passiert nichts Schlimmes. Eine weitere Falle haben die Streckenbauer mit den zwei Brücken eingebaut. Deren Einfahrten zu treffen, ist auf dem Schlitterkurs eine Kunst für sich und es wird einige Male sehr eng. Die Entscheidung fällt ganz klar auf der technischen zweiten Streckenhälfte, wo sich die Unterschiede zwischen den gnadenlosen Attackierern und den Linienkünstlern besonders deutlich zeigen.

Typisch für das Rennen in Andorra: Auf Platz zwei landet Finn Iles (CDN), der auf Teufel komm raus fährt und trotz einer Serie von Fehlern auf dem Hot Seat Platz nimmt. Es braucht dann einen der grössten Steuerkünstler überhaupt, den vierfachen Weltmeister Loïc Bruni, der ihn mit einer blitzsauberen Fahrt schlägt. Alles klar macht schliesslich Quali-Sieger Loris Vergier, der das Beste aus Angriff und Kontrolle vereint und sich einen weiteren Weltcup-Sieg holt. «Manchmal fühlt man sich schnell und verliert trotzdem Zeit, darum ist es wichtig, immer zu pushen», gibt er im Ziel sein Rezept preis. Der Schnellste des Tages ist aber der achtzehnjährige Junior (und seit Kindesalter Youtube-Star) Jackson Goldstone. Er bewältigt den High-Speed-Kurs eine gute Sekunde schneller als der Sieger der Elite.
Resultate Final Männer

Flückiger profitiert von Braidots Defekt

Das Drama geht weiter: In Lenzerheide profitierte Luca Braidot vom verunglückten Überholversuch Math Flückigers gegen Nino Schurter. Im Short-Track-Rennen in Vallnord liegt der Italiener mit Abstand auf Flückiger in Führung, als ihm kurz vor der zweitletzten Zieldurchfahrt, die Kette rausspringt. Flückiger nimmt das Geschenk an und fährt vor Alan Heatherly (NZL), Vlad Dascalu (ROM) und dem wieder erstarkten Thomas Litscher als Sieger durchs Ziel. Filippo Colombo holt sich als Achter den letzten Startplatz in der ersten Reihe. Einen schwachen Tag zieht Nino Schurter ein, der sich als 15. Immerhin den Platz in der zweiten Startreihe sichert.

 

Die Diskussionen nach seinem übermotivierten Überholversuch in Lenzerheide hat Spuren beim Berner hinterlassen. SRF gibt er nach dem Rennen zu Protokoll: «Es ist sehr emotional, ich wollte hier einfach gewinnen. Für Braidot ist es natürlich schade.» Math Flückiger kann sich am Sonntag als Erster seinen Platz in der ersten Startreihe aussuchen. Nino Schurter wird sich im zweiten Glied einreihen,  wenn dieses schon fast vollbesetzt ist. Der Bündner wird auf der engen Strecke von Vallnord mindestens vierzehn Fahrer überholen müssen, wenn er den ersehnten 34. Weltcup-Sieg in Andorra feiern will.

Sieg trotz Sturz

Alessandra Keller will dieses Short-Track-Rennen offensichtlich unbedingt gewinnen. Mit viel Bewegung im Oberkörper, wie man es von ihr kennt, wenn sie Vollgas gibt, führt sie das Feld während eines grossen Teils des Rennens an. Eine Zeit lang hat sie Linda Indergand am Hinterrad, die gegen Ende aber noch ein paar Positionen einbüsst. Auf der letzten Runde scheint es, als ob Alessandra Keller ihrem eigenen Tempo zum Opfer falle, plötzlich kommen Anne Terpstra (NED) und Rebecca Mcconnell (AUS) immer näher. Die Innerschweizerin beweist Herz und schlägt die Holländerin Terpstra im Zielsprint.

Im Siegerinneninterview erklärt sie, weshalb sie ihren davor relativ komfortablen Vorsprung verloren habe: Sie sei gestürzt in einem Abschnitt ohne Kameras, weshalb dies kaum jemand bemerkte. Nur deshalb hätten Terpstra und Mcconnell zu ihr aufgeschlossen. «Sie haben dafür aber wohl mehr Kraft verbraucht als ich, weshalb ich am Ende noch etwas mehr Power hatte.»

Die Short-Track-Rennen finden bei 32 Grad im Schatten auf knochentrockener Strecke statt. Schon der oder die Führende hinterlässt eine Staubspur, das Feld verschwindet auf gewissen Abschnitten komplett im aufgewirbelten Dreck. Hinzu kommt als Herausforderung die dünne Luft auf 2000 Metern. Gewisse Wettervorhersagen sehen am Sonntag Regen auf die Strecke niedergehen. Andere erwarten das Wetter vom Freitag, vielleicht noch etwas heisser.

Resultate Short Track Frauen
Resultate Short Track Männer

Camille Balanche Schnellste in der Qualifikation, Franzosen dominieren

Die Romande brennt die schnellste Zeit in den Staub von Andorra und wird heute Samstag als Letzte zu ihrem Finallauf starten. Hinter ihr klassieren sich Nina Hoffmann (GER) und Myriam Nicole (FRA). Das franzöische Team macht die Qualifikation zu seinen Landesmeisterschaften mit internationaler Beteiligung. Loris Vergier ist der Schnellste, vor Lenzerheide-Sieger Amaury Pierron und Loïc Bruni. Schnellster Nicht-Franzose ist der Kanadier Finn Iles, gefolgt von Aaron Gwinn (USA), dann steht schon der nächste Franzose auf dem Blatt: Hugo Frixtalon. Der Downhill Final der Frauen (15 Jahrerinnen) beginnt um 12.25 Uhr. Um 13.30 Uhr startet der erste von 64 Finalisten.

Resultate Qualifikation Frauen
Resultate Qualifikation Männer