Heute sind Mountainbiker den Wildhütern ausgeliefert. | Ride MTB

Heute sind Mountainbiker den Wildhütern ausgeliefert.

Pete Stutz

Das Aufsehen im Oktober 2014 war gross: Swiss Cycling wolle sich verstärkt um den Mountainbike-Breitensport kümmern und diesem mit starker Lobby-Arbeit den Rücken stärken. Bald war bestimmt, dass dafür Pete Stutz engagiert wird. Im Gespräch erklären Geschäftsführer Markus Pfisterer, der Ausbildungschef Sven Montgomery und der neu beauftragte Pete Stutz, wie sich Swiss Cycling zur schlagkräftigen Lobby-Organisation für Mountainbiker entwickeln soll.

Wie ist die Idee entstanden, bei Swiss Cycling einen Projektleiter für den Mountainbike-Breitensport einzustellen?
Pfisterer: Swiss Cycling hat seit 15 Jahren im Leitbild verankert, dass man nicht nur als Leistungsportförderer auftritt, sondern der Breitensport genauso wichtig ist. Durch die finanziellen Schwierigkeiten des Verbands mussten wir uns bis vor kurzem auf Basisfunktionen konzentrieren. Seit Anfang 2014 sind wir schuldenfrei und wollen uns gemäss Leitbild wieder vermehrt dem Breitensportler widmen.

Leistungssport stützt sich auf Vereins- und Verbandstrukturen, der Breitensportler agiert dagegen individuell und will sich weniger in Strukturen einbinden lassen. Wie geht Swiss Cycling mit diesem Spagat um?
Montgomery: Es gibt keine klare Trennlinie zwischen diesen Sportlern. Die Basis des Leistungssports ist der Breitensport. Ein Spitzensportler nutzt das gleiche Terrain im Training wie ein normaler Biker am Wochenende, sie haben also ähnliche Interessen. Wenn Trails gesperrt werden, dann betrifft dies beide.
Pfisterer: Wir fördern seit zwei Jahren in den Schulen das Velofahren. Wir wollen dort keine Leistungssportler heranzüchten, sondern einfach Aufklären und Freude am Velofahren vermitteln.
Stutz: Bei der Gründung von Swiss Cycling vor 130 Jahren ging es nicht um Spitzensport sondern darum, den Radsport in der ganzen Schweiz ohne grosse Hindernisse betreiben zu können. Jeder Biker ist zuerst ein normaler Sportler, man wird nicht als Spitzensportler geboren, das nimmt dann einen natürlichen Verlauf.

Trotzdem: Steht der individuelle, flexible und unverbindlich organisierte Mountainbiker nicht im Widerspruch zum im Verband engagierten Sportler?
Montgomery: Dieser Biker muss sich überlegen: Warum kann er seine Trails fahren? Kann er in Zukunft den Wald auch noch nutzen? Wenn er versucht, sich als Individuum dafür zu engagieren, wird er höchstwahrscheinlich scheitern. Es ist unsere Aufgabe, die Mountainbiker zu überzeugen, dass wir gemeinsam mehr erreichen.
Pfisterer: Wenn das Individuum kein Interesse hat, sich zu beteiligen, dann ist der Leidensdruck vielleicht auch nicht gross genug. Wenn niemand dabei ist, sich mit uns zu engagieren, dann müssen wir uns auch fragen, ob das der richtige Weg ist. Wenn wir nicht breit abgestützt sind, dann hat die ganze politische Arbeit auch keinen Sinn.

Lokale Bike-Vereine stellen als Knowhow-Träger eine wichtige Rolle. Wie holt Swiss Cycling diese Vereine ins Boot?
Stutz: Zuerst identifizieren und besuchen wir die wichtigsten Partner. Wir erklären unser Vorhaben, der Kontakt zu allen Stakeholdern ist elementar, damit wir unsere Breitensportförderungsaufgabe definieren und wahrnehmen können. Das ergibt dann ein Bild, wer was braucht. Auf nationaler Ebene haben wir gute Kontakte. Angedacht ist die Bildung einer Arbeitsgruppe, mit der man die Bike-Vereine besser einbinden kann und mit diesen einen regelmässigen Austausch anstrebt.
Pfisterer: Sobald die Bestandesaufnahme bei den wichtigsten Partnern gemacht ist, wollen wir diese Clubs und Vereine einbeziehen. Wir werden im Frühling 2015 einen Aufruf machen und da sind alle willkommen und eingeladen, sich zu beteiligen. Wir wollen ein offenes System schaffen und jeder soll sich einbringen können, unser Pflichtenheft können diese Organisationen mitschreiben. Wir erwarten auch eine Beteiligung, denn es soll nicht so sein, dass nur wir sagen, wo und was es zu tun gibt. Schliesslich sehen wir uns als Dienstleister und unsere Arbeit soll einen Nutzen bringen.

Wie plant Swiss Cycling die kleinen, regionalen und politisch aktiven Bike-Vereine einzubinden?
Pfisterer: Mit unseren offenen Strukturen wollen wir sie ansprechen. Wir können uns selbst nicht mit lokalen Behörden zusammensetzen, unsere Ressourcen reichen dazu nicht. Erreichen die Bike-Vereine die nationalen Verbindungen nicht, können wir weiterhelfen. Und: Wir können den Aktiven, die auf lokaler Ebene wirken, passende Werkzeuge zur Verfügung stellen.
Stutz: Damit der Breitensportler einen öffentlichen, mit Steuergeldern gebauten Trail nutzen kann, braucht es Richtlinien. Die Behörden müssen wissen, ob ein Trail zu extrem oder vertretbar ist, sie erwarten eine gewisse Rechtssicherheit. Dazu braucht es Experten, und in Zürich hat man dafür bei der Umsetzung des Trails am Uetliberg die Beratungsstelle für Unfallverhütung herbeigezogen. Entstanden ist daraus der Leitfaden für den Trail- und Anlagenbau, an welchem auch Swiss Cycling mitgewirkt hat. Genau das meinen wir mit «Werkzeugen zur Verfügung stellen». Darunter fallen auch Good-Practice-Beispiele oder Tipps, damit man nicht immer die gleichen Fehler wiederholt.
Pfisterer: Biker treffen oft auf die gleichen Probleme, es kann schon ein grosser Nutzen sein, wenn wir aufzeigen, wie Verein ein spezifisches Problem gelöst hat. Wenn nicht jeder bei Null anfangen muss, ist schon einiges erreicht.
Stutz: Ich betone nochmals, es braucht zuerst die Kontaktaufnahme und Bedürfnisabklärung. Braucht dieser Verein unsere Hilfe, will er Unterstützung? Wir engagieren uns nicht auf lokaler Stufe, wenn es dort bereits funktioniert. Wir werden aber bei unserer Arbeit ein Muster mit immer wiederkehrenden Fragen entdecken, darauf können wir Grundlagen aufbereiten für alle Vereine. Ich möchte dazu ein konkretes Beispiel aufzeigen: Früher war der Schaden am Wald durch Bodenverdichtung ein wichtiges Thema, heute steht der Wildschutz stärker im Vordergrund. Auf lokaler Ebene ist es für viele Mountainbiker schwierig, sich hier kompetent in die Diskussion einzugeben. Wenn alle Wildhüter sagen, Mountainbiker sind schädlich fürs Wild, dann ist dagegen nichts auszurichten. Wir setzen uns auf höchster Stufe ein, Fachwissen und Kontakte zu schaffen. Momentan ist eine Studie über den urbanen Nutzungsstress des Wilds in Erarbeitung. Aus dieser wird man schliessen können, welchen Einfluss das Mountainbiken auf das Wild tatsächlich hat. Genau solche Informationen wollen wir unseren Mitgliedern zugänglich machen.

Alle Mitglieder eines gemeldeten Veloklubs sind automatisch Passivmitglied beim Verband. Für diese Passivmitgliedschaft verlangt Swiss Cycling zehn Franken. Wie werden diese Mittel eingesetzt?
Pfisterer: Diese Nettoeinnahmen aus der Passivmitgliedschaft geben wir wieder zurück an die Vereine, die beispielsweise über ein J+S-Programm verfügen. Von diesen Einnahmen soll die Basis profitieren. Also diejenigen, die dafür sorgen, dass auch morgen und übermorgen in der Schweiz Radsport betrieben wird. Die Clubs ohne Nachwuchsangebote leisten etwas für die aktiven Clubs, das ist eine Art Finanzausgleich in der Nachwuchsförderung. Unsere Delegierten haben die Passivmitgliedschaft eingeführt, weil es für uns gerade auf politischer Ebene extrem wichtig ist, mehr Mitgliederzahlen ausweisen zu können. Es ist ein Unterschied, ob man 15'000 oder 30'000 Mitglieder vorweisen kann.

Pete Stutz ist mit einem 40-Prozent-Pensum engagiert. Wie sieht es mit den restlichen 60 Prozent der Stelle für die Förderung des Mountainbike-Breitensports aus?
Pfisterer: Ursprünglich wollten wir die 100 Stellenprozente auf eine Person verteilen. Mit der Umfrage von Züritrails und Swiss Cycling wurde klar, dass das Aufgabenspektrum so breit ist, dass dies eine Arbeitskraft alleine nicht schultern kann. Dieses Spektrum reicht von der politischen Arbeit bis hin zu Schulprogrammen. Wir haben Pete Stutz mit 40 Stellenprozenten verpflichtet. Gleichzeitig wird der Leiter für die Events beim Schulprogramm, Theo Stauffer, sein Pensum ausbauen und damit Sven Montgomery entlasten, der sich im Mountainbike-Breitensport engaigeren wird. Gleichzeitig werde ich einige Aufgaben intern abgeben, womit auch ich mich der Thematik widmen kann. Ich gehe für mich von einem Pensum von bis zu 30 Stellenprozenten aus. So haben wir die Förderung des Mountainbike-Breitensport auf etwa vier Personen aufgeteilt – das sind dann mehr als 100 Stellenprozent.

Pete Stutz, du führst in Zürich einen Bikeshop, arbeitest für Swiss Cycling und betreibst eine Firma für den Bau von Pumptracks. Wie bekommst du das alles unter einen Hut?
Stutz: Ich mache das schon seit 25 Jahren so, habe noch meine Familie und mache neben dem Pizza Cup noch weitere Sachen. In meinem Leben dreht sich alles um zwei Räder.

Ist Pete Stutz die richtige Besetzung? In Zürich beim Projekt des Bikeparks auf der Allmend hat er sich nicht nur Freunde gemacht.
Pfisterer: Es ist uns klar, dass die Stellenbesetzung mit Pete Stutz in Zürich polarisiert. Schliesslich war es ein Abwägen, wer bringt was mit und wo haben wir unter dem Strich den grössten Nutzen für die gesamte Idee. Wir haben zu Züritrails einen guten Kontakt, und die Anstellung wurde mit ihnen besprochen. Zudem muss man sagen, dass die ganze Szene viel grösser ist als nur Zürich. Und egal wie wir uns entschieden hätten, jede Person wäre an einer Stelle angeeckt. In der Schweizer Veloszene kennt halt Jeder Jeden.
Stutz: Wir haben jetzt das Jahr 2014, wir planen die Phase 2015 bis 2020. Die Rollenverteilungen der letzten acht Jahren werden in den nächsten Jahren anders sein. Es ist genial, das Positionen entstehen und sich entwickeln, die es vorher gar nicht gab. Die Involvierten müssen ihre Positionen finden und somit ist das ein natürlicher Prozess, wie etwas entsteht und jeder seine Rolle gefunden hat.
Pfisterer: Es ist ja nicht Pete Stutz, der das unser Vorgehen vorgibt. Wir wollen ganz bewusst ein offenes System gestalten, wo sich jeder einbringen kann. Durch das offene System sollen uns die Involvierten sagen, in welche Richtung es gehen soll.

Pete Stutz hat eine Firma für Trail-Bau, wie geht der Verband das Thema Befangenheit an?
Stutz: Ich arbeite auf der Projektstufe und wir fungieren primär im öffentlichen Raum. Falls an einem Ort ein Pumptrack gebaut wird, dann nimmt das seinen behördlichen Weg und es gibt es ein ordentliches Ausschreibeverfahren. Kommt es zu einem kritischen Punkt, dann bin ich ja nicht alleine in dieser Firma und es übernimmt mein Geschäftspartner.
Pfisterer: Wir wollen von Anfang an offen kommunizieren, wie die Engagements von Pete ausschauen und haben das vorbesprochen. Wir wissen, dass wir ein Auge auf potenzielle Interessenskonflikte haben müssen.

Wie stellt Swiss Cycling sicher, dass die Anliegen der Mountainbiker auf politischer Ebene Gehör bekommen?
Stutz: Swiss Cycling ist auf höchster Ebene vernetzt mit sämtlichen Institutionen. Das sind auf nationaler Ebene beispielsweise die Bundesämter für Verkehr, Energie, Umwelt, Raumplanung oder Sport. Bei nationalen und internationalen Verbänden sind wir an Bord, beispielsweise bei der UCI, Schweiz Mobil oder ProVelo.
Pfisterer: Es gibt innerhalb dieser Ämter und weiterer Verbände diverse Arbeitsgruppen, die sich regelmässig treffen. Ich rede da von Arbeitsgruppen rund um das Thema Langsamverkehr, Umwelt oder Sport, da haben wir jeweils Einsitz. Ich bin zudem auch im Stiftungsrat von Schweiz Mobil.

Welche Ziele wollen Sie auf politischer Ebene erreichen?
Pfisterer: Wir wollen es schaffen, auch als Vertreter der Individualsportler wahrgenommen zu werden und uns darauf mit entsprechendem Gewicht politisch für deren Interessen einzusetzen.

Welche Pläne gibt es für Infrastruktur für Mountainbiker im öffentlichen Raum ausserhalb des Tourismus?
Stutz: Wir warten die Interviews zur Bedürfnisabklärung ab. Aus der Erfahrung von Zürich weiss ich: Wenn ein Platz hoch verdichtet ist, dann steigt das Konfliktpotenzial. Dann kann der Mountainbiker nicht mehr für sich im Versteckten irgendwas machen, dann muss man den offiziellen und nachhaltigen Weg gehen. Auf diesem offiziellen Weg ist es für Zweiradfahrer einfacher, attraktive Infrastruktur aufrecht zu erhalten.

Wo seht ihr Hürden bei der Förderung des Mountainbike-Breitensports, wo die Hürden Behörden und Vereine ins Boot zu holen?
Stutz: Velofahren ist eine der drei beliebtesten Freizeitaktivitäten in der Schweiz. Behörden sind oft froh, wenn sie einen Ansprechpartner in diesem Bereich haben.
Pfisterer: Bei den Behörden haben wir einen guten Stand. Die grösste Hürde sind die Vereine und die einzelnen Mitglieder. Die Mitwirkung der Direktbetroffenen sehe ich als grösste Herausforderung für uns. Die Vermittlung des Nutzen ihres Engagements ist sehr anspruchsvoll.
 

Pete Stutz
Pete Stutz führt seit über 25 Jahren in Zürich einen Bikeshop, amtet seit 2005 als Vertreter bei Swiss Cycling seit jeher im Bereich Breitensport und betreibt mit einem Partner eine Pumptrack-Baufirma. Interessen von Mountainbikern vertritt er seit 2002, damals noch als IG MTB.
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Markus Pfisterer ist seit 2010 Geschäftsführer von Swiss Cycling und hat sich während seiner Amtszeit erfolgreich dem Mitgliederaufbau und der Mittelgewinnung gewidmet. Seine Leidenschaft für den Radsport entdeckte er mit dem BMX und hat diese nachher auf Mountainbike und Rennvelo weiter ausgelebt.
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Sven Montgomery arbeitete von 1998 bis 2006 als Strassenprofi. Ab August 2012 übernahm er bei Swiss Cycling die Stelle als Nachwuchsverantwortlicher und als Ausbilder von Trainern, Sportlichen Leitern und Wettkampfrichtern.