Forster und Schurter nutzen Heimvorteil am Swiss Epic | Ride MTB

Forster und Schurter nutzen Heimvorteil am Swiss Epic

Lars Forster und Nino Schurter gewinnen mit vier Etappensiegen die Gesamtwertung des zweiten Swiss Epic Graubünden. Mit Casey South und Noah Blöchlinger glänzen zwei weitere Schweizer auf Rang sieben. Bei den Frauen räumen Annika Langvad und Haley Batten gar jede Etappe auf dem Weg von Laax nach Davos ab, nach Sina Freis Ausfall praktisch ungefährdet. Ariane Lüthi fährt mit Alice Pirard auf Rang drei.

Auftakt nach Mass

Graubünden Zweifel an ihrer Favoritenrolle lassen Lars Forster und Nino Schurter keine Aufkommen und starten die Etappenfahrt in Graubünden mit dem Etappensieg in Laax. Trotzdem gehen sie das Rennen noch etwas zurückhaltend an. Nach dem ersten, langen Aufstieg von Laax über den Crap Sogn Gion noch auf Platz zwei hinter Daniel Geismayr und Ben Zwiehoff. «Als Cross-Country-Spezialisten sind wir uns so lange Aufstiege nicht gewohnt», sagt Schurter im Ziel und fügt an: «Wir wollten uns nicht zu sehr verbrennen, aber es gelang uns, den Rückstand in Grenzen zu halten.»

Die Cape-Epic Sieger vom Jahr 2019 stellen danach ihre überaus guten Orts-, respektive Trail-Kenntnisse sowie ihr Fahrkönnen unter Beweis und fahren bis ins Ziel über eine Minute auf die Italiener Fabian Rabensteiner und Samuele Porro heraus.

Bei den Frauen fahren Sina Frei und Nicole Koller (Swiss Cycling Team) ein starkes Rennen und führen zeitweise. Dann aber stürzt Sina Frei zwei Mal und zieht sich eine Schnittwunde am Knie zu. Die Führung übernehmen Annika Langvad (DEN) und Haley Batten (USA) und dabei bleibt es auch. Dennoch fahren die Zürcherinnen  noch auf Rang zwei, für Frei ist das Swiss Epic jedoch bereits nach der ersten Etappe zu Ende.

Hinter den Schweizerinnen klassieren sich die deutschen Nina Benz und Kim Ames vom Schweizer «jb Brunex Felt Factory Team».

Wendung auf der zweiten Etappe?

Die 75 Kilometer lange Etappe von Laax nach Arosa endet mit einem langen Aufstieg. Das spielt den Tschechen Kristian Hynek und Martin Stošek in die Karten, und so sichern sie sich den Etappensieg vor Schurter und Forster.
«Gegen Ende des Anstiegs bemerkte ich, dass nicht mehr alle Fahrer das Tempo mitgehen können», so Kristian Hynek. «Wir erhöhten das Tempo nochmals und konnten eine Lücke herausfahren. Diesen Vorsprung gaben wir nicht mehr aus der Hand», erklärt der Tscheche ihre Taktik zum Sieg.

Deren Vorsprung von 36 Sekunden reicht aber nicht aus, um den Schweizern die Führung abzujagen – im Gegenteil. Diese bauen ihren Vorsprung im Gesamtklassement noch aus und die dritte Etappe verspricht wieder ein Vorteil für das Scott-Duo.

Annika Langvad und ihre Team-Kollegin Haley Batten üben bereits auf den ersten 50 Kilometern der zweiten Etappe ihre Dominanz auf den Singletrails aus. Im 20 Kilometer langen Schlussanstieg will Batten die Verfolger-Teams dann endgültig distanzieren und beisst sich sinnbildlich die Zähne aus.

Bei der 20-Kilometer-Marke beträgt der Vorsprung der beiden eine Minute gegenüber den aufkommenden Linda Indergand (SUI) und Karla Stepanova (CZE). Battens Effort lässt aber den Vorsprung zunehmend ansteigen und so kommen Langvad und Batten über zwei Minuten vor Elisabeth Brandau und Stefanie Dohrn ins Ziel. Indergand und Stepanova verlieren etwas, aber fahren auf Rang drei.

Kurz aber oho

Die dritte Etappe ist mit 50 Kilometer die kürzeste des Swiss Epic 2020, aber mit 1’900 Höhenmeter alles andere als locker. Nino Schurter und Lars Forster liefern sich ein packendes Duell mit den Italienern Fabian Rabensteiner und Samuele Porro und holen dann mit rund einer halben Minute Vorsprung ihren zweiten Etappensieg.

Im Ziel zeigt sich Rabensteiner beeindruckt von der Leistung der beiden Schweizer: «Gegen Nino und Lars war heute kein Kraut gewachsen. Im letzten
Aufstieg gingen sie ein horrendes Tempo. Wir waren blau, mussten abreissen lassen und auf der letzten Abfahrt gingen wir dann nicht mehr das volle Risiko ein.»

Dahinter setzen sich mit Casey South und Noah Blöchlinger zwei weitere Schweizer gut in Szene. Nur knapp entgeht den beiden ihr erster Podestplatz, können sich aber gegen die Routiniers Urs Huber und Simon Stiebjahn durchsetzen.

Bei den Frauen passieren nur auf den Ehrenplätzen Wechsel: Weiterhin kann kein Team mit der Dänin Annika Langvad und der Amerikanerin Haley Batten mithalten. Die beiden gewinnen auch die dritte Etappe rund um Arosa und führen nun mit mehr als 26 Minuten auf die Deutschen Zweitplatzierten Stefanie Dohrn und Elisabeth Brandau.

Haley Batten gibt sich trotz sattem Vorsprung vorsichtig: «Die beiden letzten Etappen werden nicht zuletzt wegen der Höhe sehr anstrengend. Wir müssen nun auf unsere Körper hören, uns gut ernähren und aufpassen, dass wir keine technischen Defekte oder Stürze einhandeln. Auf einem Etappenrennen weiss man nie, was alles passiert.»

Auf der Etappe kämpfen dieses Mal aber andere um die Plätze zwei und drei. Am Ende steigen Sophie Von Berswordt-Wallrabe (NED) und die Schweizerin Jacqueline Schneebeli auf das zweite Treppchen, während das Duo Brandau/Dohrn Dritte werden.

Nichts geschenkt

Es sind nicht die starken Italiener die Forster und Schurter bedrängen. Auf der Königsetappe von Arosa nach Davos sind es wiederum die Tschechen Kristian Hynek und Martin Stošek die den Schweizern nichts schenken wollen. Zu Beginn üben sie zusammen mit einigen anderen Teams, unter anderem mit den Gesamtzweiten, grossen Druck auf die Leader aus.

Während das hohe Tempo schon bald seine Opfer bringt, können sich Schurter und Forster auf der Abfahrt vom Durannapass lösen und einen Vorsprung auf 47 Sekunden ausbauen. Auf den letzten 28 Kilometern bleibt diese Lücke konstant – Hynek/Stošek können trotz aller Bemühungen die Führenden nicht mehr bedrängen.
«Es lief hervorragend heute. Beim ersten Aufstieg konnten wir mit der Führungsgruppe mithalten und anschliessend bei der Abfahrt eine Lücke herausfahren, welche wir bis zum Ziel souverän verwalteten. Ich freue mich über den Etappensieg, aber umso mehr über die zusätzlich gewonnen Sekunden im Gesamtklassement», resümiert Schurter.

Die Königsetappe im Feld der Frauen verläuft ähnlich wie schon die Tage zuvor. Sobald das Terrain etwas technischer wird, kann niemand mehr mit Langvad und Batten mithalten. Einzig Dohrn und Brandau vermögen den beiden auf den ersten 13 Kilometern folgen, müssen dann aber auf dem Hörnli Trail abreissen lassen.
Auf den folgenden 15 Kilometern baut das Specialized-Racing-Team seine Führung weiter aus, bis der Anstieg zum höchsten Punkt der Etappe folgt.

Stefanie Dohrn und Elisabeth Brandau machen über zwei Minuten gut und kommen 14 Sekunden vor den Leadern im Gesamtklassement am Kulminationspunkt an. Unbeeindruckt davon ziehen Langvad und Batten ihren Rennplan durch, holen bald schon die Spitzenposition zurück und fahren etwas später ungefährdet ihren vierten Etappensieg in Folge ein.
«Der heutige Tag war perfekt, auch wenn ich nicht meine, dass wir die Etappe dominiert haben», meint Batten lächelnd an der Ziellinie in Davos.

Nochmals ausgebaut

Auf der 61 Kilometer langen Schlussetappe legt Schurter von Anfang an das Tempo vor. So verkleinert sich das Fahrerfeld bereits im ersten Anstieg, wächst auf dem Panoramaweg oberhalb Davos nochmals auf vier Teams an. Zwischenzeitlich nehmen Forster und Schurter Tempo raus, gehen aber nochmals in die Vollen, als es um die Pole Position im letzten spektakulären Singletrails des Swiss Epic 2020 geht.

Auf dem rund fünf Kilometer langen Ischalp-Trail nach Davos hinunter, spielen die beiden Schweizer nochmals voll ihr Abfahrtskönnen aus. Das bringt ihnen nochmals 40 Sekunden gut und den Sieg auf der Schlussetappe.
«Es ist ein schöner Sieg. Es ist wegen der vielen langen Steigungen anders, als ein Cross-Country-Rennen oder gar das Absa-Cape-Epic zu gewinnen», reflektiert Schurter. «Ich bin wirklich glücklich, den Sieg am Swiss Epic auf meinem Palmarès zu haben. Die ganze Woche verlief fast perfekt, wir hatten keine technischen Defekte und sicherten uns vier Etappensiege. Ich gebe zu, dass es zu Beginn ein Fragezeichen gab, wie Lars und ich diese langen Aufstiege meistern würden. Diese wär nun beantwortet.»

Forster fügt Forster: «Wir haben auf den langen Anstiegen ein bisschen gelitten, vor allem in den ersten beiden Etappen. Als wir ins Rennen gingen, wussten wir, dass wir dort nicht die Stärksten sein würden; aber wir konnten uns jedes Mal an den besten Bergfahrern festhalten, und in den Abfahrten waren wir dann die Schnellsten. Dass wir unsere Stärken ausspielen und uns in einem Gebiet herausfordern konnten, in dem wir nicht so gut sind, macht den Sieg am Swiss Epic zu einer besonderen Freude!»

Mit einem Vorsprung von über zehn Minuten unterstrichen Forster und Schurter ihre Dominanz beim Rennen durch Graubünden. «Trek Pirelli 1» mit Fabian Rabensteiner und Samuele Porro waren auf 3 der 5 Etappen ihre nächsten Rivalen. «Future Cycling Northwave» sichert sich den dritten und letzten Podiumsplatz im Gesamtklassement, obwohl sie sich auf der letzten Etappe mit Rang sechs begnügen mussten. Immerhin konnten sich Kristian Hynek und Martin Stošek einen Etappensieg sicherten.

Nochmal einmal glänzen Casey South und Noah Blöchlinger. Zwischenzeitlich in der Spitzengruppe, belegen sie den vierten Rang und klassieren sich als zweites, reines Schweizer Team inmitten namhafter Fahrer auf den siebten Gesamtrang.

Die dänisch-amerikanische Kombination aus Annika Langvad und Haley Batten ist und bleibt während des gesamten Rennens durch Graubünden konkurrenzlos und gewinnt somit auch das Gesamtklassement mit 38 Minuten und 19 Sekunden. Trotz ihrer Dominanz war es keine langweilige Prozession, aber ihre Führung wurde auf jeder Etappe, auch auf der Letzten, herausgefordert.

Die 61 Kilometer lange fünfte Etappe ist wiederum mit einem langen Anstieg verbunden. Und da erweist sich das Team Centurion Vaude Radon, bestehend aus Stefanie Dohrn und Elisabeth Brandau, als die stärksten Kletterer. Sie erreichen den Gipfel mit 40 Sekunden Vorsprung auf das Langvad und Batten. Doch auch hier können sie diesen Vorsprung nicht halten und opfern gleich zwei Plätze auf der Abfahrt des Panorama-Trails.

Es ist das Team Andermatt Spur mit Ariane Lüthi und Alice Pirard, das sich den Leaderinnen kurz anhängt. Lüthi und Pirard fehlt jedoch die Feuerkraft, um Langvad und Batten herauszufordern. Trotzdem endet das Swiss Epic versöhnlich für das schweizerisch-belgische Duo. Hinter Langvad/Batten und Brandau/Dohrn belegen Lüthi und Pirard den dritten Gesamtrang.  

«Ich bin sehr stolz auf unsere Leistung hier beim Swiss Epic», sagt Langvad. «Wir sind schlau und regelmässig gefahren. Wir haben das Beste aus den Stärken der anderen herausgeholt, und das hat sich ausgezahlt. Aber ich wusste von Anfang an, dass es nie vorbei ist, bis man die letzte Ziellinie überquert hat. Heute hatten wir zwei platte Reifen, was den Tag etwas herausfordernder und stressiger machte. Der erste war ein Schleicher, den wir direkt an der Felge nicht richtig sehen konnten. Wir haben einfach angehalten und den Reifen ein paar Mal aufgepumpt. Ich musste dann bis zur ersten technischen Zone sehr vorsichtig fahren, bis ich das Rad wechseln konnte.

Der anstrengende Schlusstag tut der Freude ihrer Partnerin an der Etappe keinen Abbruch, und auch der zweite Plattfuss kann diese nicht mehr trüben. «Heute habe ich versucht, alles in mich aufsaugen», grinst Batten. «Diese Erfahrung und diesen Sieg mit Annika und dem ganzen Team teilen zu können, ist wirklich etwas Besonderes. Es war rundum episch!»

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