Die Zürich-Klatsche sollte zu denken geben! | Ride MTB

Die Zürich-Klatsche sollte zu denken geben!

Die Stadt Zürich behauptete über Jahrzehnte, Mountainbiken auf Singletrails sei illegal. Zwei Privatpersonen sind dagegen vorgegangen und bekamen vor Gericht recht. Da stellt sich die Frage: Sollen wir Mountainbiker öfters vor den Richter oder weiterhin nur an den Verhandlungstisch? Gedanken dazu von Ride-Herausgeber Thomas Giger.

 
Was für eine Blamage für die Waldbehörden der Stadt Zürich. Seit zwei Jahrzehnten predigt «Grün Stadt Zürich», Mountainbiken auf Singletrails sei illegal. Neu stehen gar im Wald grosse Plakate mit der Aussage, dass Radfahren nur auf offiziellen Strecken und Strassen erlaubt sei. Ein Gerichtsurteil sagt klar und deutlich: Das ist faktisch eine Lüge. Gemäss dem Statthalteramt Affoltern am Albis dürfen Wege befahren werden, die in Karten von Swisstopo verzeichnet sind und die für das Mountainbike geeignet sind. Zudem schliesse die Kennzeichnung als Wanderweg die Benutzung durch Mountainbiker nicht aus.

22 Jahre Standfestigkeit

Es war das Jahr 2000, als ich das erste Mal vom damaligen Waldamt der Stadt Zürich zur Aussprache zitiert wurde. Ich habe damals die Singletrail Map gegründet und als erster die Trails der Region Zürich kartografisch sichtbar gemacht. Die damalige Forderung der Behörden: Eine Mountainbike-Karte dürfe nur Forststrassen enthalten, alles andere sei illegal. Ich habe das Treffen damals wegen unüberwindbarer Vorstellungen abgebrochen. Für mich war dies schon damals eine willkürliche Gesetzesinterpretation.

Ich habe mich in der Folge entschieden, den Weg der Standfestigkeit einzuschlagen und zwar gleich weit über die Stadt Zürich hinaus. In den letzten 22 Jahren gab es unzählige Versuche von Behörden, die Singletrail Map und Ride mundtot zu machen. Es waren allesamt (juristisch nicht haltbare) Einschüchterungsversuche. Sie liessen uns unbeeindruckt. Wir sind überzeugt, für eine gute Sache einzustehen und auch das Gesetz hinter uns zu wissen. Der aktuelle Fall der Stadt Zürich bestätigt dies.

Pragmatismus oder Kompromisslosigkeit?

Mit Ride und der Singletrail Map werden wir oft wegen unserer Kompromisslosigkeit angefeindet, insbesondere auch aus der Mountainbike-Szene selbst. Wir wiederum sehen uns als unbeugsame Vertreter der Bedürfnisse der Mountainbiker, Kritiker werfen uns fehlende Lösungsorientierung vor. Dieser Konflikt erhält nun durch das Zürich-Urteil zusätzliche Brisanz: Übernehmen wir Mountainbiker die Positionen einer Behörde, um damit solide Lösungen zu ermöglichen? So wie es «Züritrails» macht. Sie haben bisher die Parolen der Stadtbehörden akzeptiert, dafür aber neue Angebote wie den Höckler-Trail realisieren können. Oder geht man den konfrontativen Weg wie aktuell Alec Wohlgroth und Matthias Lüscher? Mit ihrem Gang vor den Richter haben sie aufgezeigt, dass uns rechtlich weit mehr zusteht und wir Mountainbiker in Verhandlungen (in Zürich) bisher offensichtlich über den Tisch gezogen wurden.

Es ist die klassische Frage nach dem Spatz in der Hand oder der Taube auf dem Dach. Geben wir uns mit einem Kompromiss zufrieden (Spatz) oder gehen wir aufs Ganze im Risiko zu scheitern (Taube)? Es ist eine Frage, die mich unterschwellig seit zwanzig Jahren beschäftigt. Wir haben uns für den Weg der Taube entschieden. Käme es zu einer Anklage, würden wir grundsätzlich einen Prozess bis vor Bundesgericht ziehen in der Überzeugung, dadurch einen Präzedenzfall zu setzen und sich vom obersten Gericht die Legalität der Sportart bestätigen zu lassen. Das wäre indes nicht ohne Risiko: Ein negatives Urteil würde sehr viel Aufbauarbeit zunichte zu machen. Spatz oder Taube?

Es braucht den Richter und den Verhandlungstisch

Es ist Alec Wohlgroth und Matthias Lüscher hoch anzurechnen, dass sie den Gang vor den Richter gewählt haben und der Stadt Zürich eine willkürliche Gesetzesauslegung nachweisen konnten. Das Urteil darf indes nicht als Affront gegenüber «ZüriTrails» gesehen werden. Es ist nicht ihre Schuld, dass sie von «Grün Stadt Zürich» an der Nase herum geführt wurden. Vielmehr sollten wir Mountainbiker durch dieses Urteil erkennen, dass es beide Wege braucht. Den konfrontativen Weg bis vor Gericht und den moderaten Weg an den Verhandlungstisch. Beides zusammen ergibt eine Art «selbstbewusste Kompromissfähigkeit». Mit genau einem solchen Powerplay können wir den Mountainbikesport weiterbringen.

 

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