Dbikes gegen Goliath - der Wettstreit um die Disc am Rennrad | Ride MTB

Dbikes gegen Goliath - der Wettstreit um die Disc am Rennrad

Mit Lancierungen und Ankündigungen für hydraulische Bremsen an Strassenrädern haben Magura wie Sram zu Beginn des Jahres 2012 für Aufsehen gesorgt. Doch in der Schweiz ist das disc-gebremste Rennrad seit dem Jahr 2010 Realität. Dietmar Putzas ist mit den scheibengebremsten Rennrädern seiner Marke Dbikes der Konkurrenz immer noch einen grossen Schritt voraus.

Plötzlich holt sie ihn ein, die Midlife-Krise. Nach zwanzig Jahren Berufsleben als Chemiker gibt Dietmar Putzas seiner Fahrradpassion nach, wagt 2008 den Sprung in die Selbständigkeit und lanciert seinen Bikeshop «Dbikes» in der malerischen Innenstadt von Zofingen. «Mein Lebensziel war nicht bloss ein eigenes Fahrradfachgeschäft. Ich wollte eine eigene Bike-Marke lancieren. Um mich von der Konkurrenz klar abzugrenzen, wollte ich etwas Neues und Einzigartiges schaffen. Mein Ziel war es, die Disc-Bremse an eigenen Rennrädern zu etablieren».

Als Ausgleich zum Berufsleben als Chemiker bestritt Putzas seit den 70er-Jahren Strassenrennen als Hobbyfahrer. Als Spezialist für Bergrennen wurde Putzas klar, dass leichte Vollcarbon-Felgen bergauf zwar toll zu fahren sind, bergab und vor allem bei Nässe der Spass schnell aufhört. «Die technisch überholten Felgenbremsen ermöglichen keine wirklich entspannten Abfahrten auf steilen Bergstrassen. Insbesondere nicht bei Nässe und beim Einsatz von Carbon-Felgen» präzisiert Putzas. Mit diesen Erfahrungen und mit dem eigenen Bikeshop ausgestattet starten in der Wintersaison 2009/2010 die ersten Versuche, die Disc ans Rennrad zu bringen. «Ich startete mit einem Mountainbike-Hardtail-Rahmen, da auf diesen problemlos 28 Zoll-Laufräder mit Carbonfelgen und Strassenbereifung passten. Die Disc-Bremshebel waren am Hornlenker untergebracht, die ersten Bremsversuche zeigten schnell den bremstechnischen Vorteil gegenüber herkömmlichen Bremsen, speziell bei dünnen Rennradreifen. Die Funktion und die schlichte Optik überzeugten mich».   

Fortan tüftelt Putzas daran, Disc-Bremsen mit einem Rennlenker und integrierten Brems-/Schalthebeln kompatibel zu machen. Am Pfingstmontag im Jahr 2010 ist es dann soweit: Putzas entwirft seine eigene Konstruktion, um Disc-Bremsen mit dem Rennrad zu verheiraten. Beim «Dbikes-Konverter» sind am Oberlenker des Rennradlenkers konventionelle Formula R1-Bremshebel montiert. Diese sind direkt vom Oberlenker aus zu aktivieren und können zusätzlich über eine Umlenkung des Bremskabelzuges von jedem marktüblichen Brems-/Schalthebel bedient werden.  

Dieses Bremssystem ist bereits an seinen eigenen, disc-tauglichen Rennrad-Rahmen montiert. An der Eurobike 2009 knüpft Putzas mit einem Carbon-Spezialisten an, der Hersteller ist bereit auch kleine Serien herzustellen. «Wir mussten dem chinesischen Rahmenbauer begreiflich machen, dass wir kein Crossrad bauen wollen. Die ersten Zeichnungen waren im Prinzip ein Crossrad mit breitem Hinterbau und einer zu breiten Gabel. Nach ein paar Mails musste ich vertraglich zusichern, dass ich die Gabel und Hinterbau in dieser ‹Rennrad-schmalen› Dimension gebaut haben will». Am Hinterbau setzt Dbikes auf Mountainbike-Dimensionen, um auf das grosse Angebot an Naben und Bremsen aus diesem Bereich zurückzugreifen. So reicht es Dbikes just rechtzeitig zur Eurobike 2010, das Modell «Disc-Race» zu präsentieren, mit dem ersten reinrassigen Disc-only-Rennradrahmen aus Carbon mit 1100 Gramm Gewicht. 

An der Eurobike 2010 kommt dann auch der Kontakt mit den Hydraulikspezialisten von Trickstuff zustande. «An der Eurobike haben wir per Handschlag eine strategische Zusammenarbeit beschlossen, gemäss dem Motto, dass ich die Rennradrahmen mit Disc-Aufnahme habe und Trickstuff die Zubehörteile dazu. Trickstuff war bereits an der Eurobike mit einem Konverter präsent, dieser musste aber noch ausgiebig getestet und zur Serienreife weiterentwickelt werden», weiss Putzas. Das Resultat kann sich sehen lassen: Der «Doppelmoppel» genannte Konverter übersetzt die mechanische Bremskraft in hydraulische Disc-Power, ist dabei mit allen Schalt-/Bremshebeln kompatibel, unter dem Vorbau angebracht und fortan an allen Dbikes montiert.  

An den Bike Days im Jahr 2011 standen dann auch 7-Kilo-Rennräder mit Hydraulic-Disc für Testfahrten zur Verfügung, die von Besuchern rege für Testfahrten genutzt wurden. Allerdings erkannte Putzas an der Schweizer Fahrradmesse in Solothurn, dass trotz überzeugender Funktionalität die allermeisten Rennradkunden noch verhalten auf die Zusatzkomponente unter dem Vorbau, den Konverter reagierten. «Sobald man einem Kunden erklärt hat, welche Funktion dieser hat, kam fast automatisch die Frage: ‹Kann man den auch weglassen?›»

Putzas weiss also um den nächsten Entwicklungsschritt, der notwendig sein wird, um der Disc-Bremse am Rennrad den Durchbruch zu ermöglichen. Und Putzas weiss auch, dass die grosse Konkurrenz die Marktchancen einer eleganten Disc-Lösung fürs Rennrad erkannt hat. «Die Vermarktungschancen einer voll integrierten hydraulischen Rennradbremse, bei der die Bremszylinder unsichtbar in den Bremsgriffen untergebracht sind, haben nun fast alle Komponentenhersteller erkannt. Insbesondere Tektro und Sram entwickeln hier an vorderster Front, Sram will im Herbst 2012 eine hydraulische Rennradbremse bringen. Magura hat bereits eine hydraulische Felgenbremse fürs Strassenrad präsentiert».  

Auf die 2012er Saison hat Dbikes das Angebot aufgefächert und bietet Crossräder mit hydraulischen Scheibenbremsen an – ebenfalls mit Gesamtgewichten um die sieben Kilogramm und mit Carbon-Rahmen ausgestattet. An diesen Rädern erlebt auch der «Dbikes-Konverter» seine Auferstehung, da zusätzliche Bremshebel am Oberlenker beim Crossrad bereits gängig seien. «Dazu ist unser Konverter bislang immer noch das einzige System, mit dem man am Rennrad direkt hydraulisch bremsen kann, ohne den Umweg über einen Bowdenzug zu nehmen, wie das bei den Systemen von Trickstuff, Hope und Tektro gegenwärtig der Fall ist».  

Putzas ist bewusst, dass er sich im Wettlauf mit den Branchengrössen befindet und der Vorsprung schwindet. «Es ist klar, sobald einer der erwähnten grossen Komponentenhersteller eine optisch perfekte Lösung ohne Konverter anbietet, werden alle namhaften Veloproduzenten mit entsprechenden Rahmen nachziehen. Die weitere Entwicklung hängt auch von der UCI ab, die bekanntlich bisher keine Scheibenbremsen an offiziellen Strassenrennen zulässt».  

Und wie sieht Putzas die weitere Entwicklung der Disc am Rennrad? «Die Rennradfahrer sind sehr konservativ. Die Felgenbremse stirbt nicht aus, die Bremskraft einer mechanischen Rennradbremse reicht bei Alufelgen aus, solange es nicht regnet. Wer superleichte Carbonfelgen nutzen will, noch dazu bei jedem Wetter, für den führt kein Weg an der Disc vorbei. In der Einsteiger-Klasse wird die Felgenbremse dominant bleiben, in der Mittel- und Oberklasse wird sich die überlegene Bremskraft und Dosierbarkeit der Disc zusehends durchsetzen».    

www.dbikes.ch