«Das Guiding-Business läuft wie die Sau» | Ride MTB

«Das Guiding-Business läuft wie die Sau»

Der Lockdown bedeutete für die Mountainbike Guides faktisch ein Arbeitsverbot. Doch schon die ersten Lockerungen zeigten: Guiding ist in der Corona-Saison gefragt wie nie. Dave Spielmann ist Guide mit Basis im Engadin und Guide-Ausbildner bei Swiss Cycling. Im Interview erzählt er, wie er die verrückteste Saison erlebt, seit es Mountainbikes gibt.

Welche Auswirkungen hatte der teilweise Lockdown für die Mountainbike Guides?
Im ersten Moment war der Lockdown ein Schock. Faktisch bedeutete er ein Arbeitsverbot. Der Frühling ist die Zeit, in der viele Fahrtechnikkurse gebucht werden. Dieser Teil fiel komplett weg. Zudem wusste niemand, was wir jetzt tun können, ob wir finanzielle Unterstützung erhalten und von wem. Am einfachsten war es noch für jene, die bei einer Bike-Schule angestellt sind. Die hatten Kurzarbeit wie so viele andere Angestellte in der Schweiz. Aber die meisten Guides sind selbständig erwerbend. Zwar hat die Mehrheit ein weiteres Standbein, aber auch dieses konnte vom Lockdown betroffen sein.

 
Wie habt ihr euch mit der Situation arrangiert?
Einerseits hat Swiss Cycling ausserordentlich gute Arbeit geleistet und hat uns schnell gezeigt, dass wir nicht im Stich gelassen werden. Zudem haben wir uns mit dem Bergführerverband zusammengetan. Die Bergführer waren ja in der gleichen Situation. Wir haben uns gegenseitig informiert, wenn wir etwas herausgefunden hatten und wir haben uns gemeinsam für unsere Anliegen eingesetzt.
 
Wie wurden die selbständig erwerbenden Bike Guides unterstützt?
Sie erhielten Ausgleichszahlungen aus der Erwerbsersatzordnung gemäss ihres AHV-pflichtigen Einkommens aus dem Guiding.
 
Anfang Mai kamen die ersten Lockerungen. Wie haben sie sich auf euer Geschäft ausgewirkt?
Am Anfang waren nur Gruppen von vier Gästen und einem Guide erlaubt. Aber schon von da an lief das Geschäft wie die Sau. Ich kenne Guides, die haben die ersten 50 bis 60 Tage nach dem Lockdown durchgearbeitet. Bike-Vermieter könnten ihre Flotte verzehnfachen – was nicht möglich ist – und hätten immer noch alle Bikes draussen.
 
Läuft es überall gleich gut?
Ins Engadin kommen die Leute nicht schon im Frühling. Besonders die Guides im Unterland hatten mehr Arbeit als je zuvor. Sogar ich habe am Bachtel im Zürcher Oberland eine Tour geführt. Ich hätte nie erwartet, dass ich je an so einem Ort arbeiten würde. Aber inzwischen läuft es überall in der Schweiz. Und ich weiss auch von Massa Vecchia und dem Südtirol, dass dort sehr viel gebucht wird.
 
Wie hat sich deine Arbeit verändert?
Für mich ist es schwieriger, denn ich habe ein spezielles Profil. Einerseits bin ich auf Mehrtagestouren mit internationalen Gäste spezialisiert. Diese Touren wurden wegen Covid-19 alle abgesagt. Diesen Ausfall konnte ich kompensieren mit Private Guiding und Coaching mit Schweizern und Stammgästen.
 
Du bist auch regelmässig als Guide oder Darsteller bei Medienproduktionen dabei. Wie läuft es da?
Besonders im Tourismus herrschte nach Ausrufung der ausserordentlichen Lage Schockstarre. Die meisten Projekte, in die ich involviert war, wurden abgesagt, auf das Minimum reduziert oder auf unbestimmte Zeit verschoben. Nun mache ich halt viel mehr kleine Sachen. Aber auch die Fotografen und Filmer haben neue Projekte. Inzwischen wird vieles wieder aufgenommen und sogar Neues entwickelt.
 
Wird die Krise auch für die Guides zur Saison der Rekorde?
Für die Schweiz-orientierten Guides sieht es danach aus. Wer sein Einkommen bisher im Ausland oder mit ausländischen Gästen verdiente, muss umstellen und hat möglicherweise eine Einbusse. Aber es wurden noch nie so viele Fahrtechnikkurse gebucht wie dieses Jahr. Die Leute entdecken das Mountainbike und merken, dass sie es nicht beherrschen. Auch individuelles Fahrtechniktraining boomt. Die Leute nehmen das Geld in die Hand, damit ihnen ein Guide hilft, ihre Hometrails besser zu fahren.
 
Sind die Leute so vernünftig, sich einen Guide zu nehmen, wenn ihr Fahrkönnen nicht ausreicht, um in den Bergen zu biken?
Nicht alle. Ich sehe viele Leute im Gebirge, die das Niveau nicht haben. Ich habe schon einige beim Biken angetroffen – Erwachene und Familien – bei denen ich dachte: «Wenn das nur gut geht!»
 
Welche Lehren ziehst du aus der Corona-Zeit?
Es wurde offensichtlich, wie wichtig es ist, breit aufgestellt zu sein und nicht nur auf ein Pferd zu setzen. Da nehme ich einiges mit. Persönlich habe ich nach dem ersten Schock die Zeit des Lockdowns genossen. Unsere Tochter wurde in der Zeit ein Jahr alt und ich hatte so viel Familienzeit wie noch nie. Ich will eigentlich gar nicht zurück zum Rush. Aber natürlich bin ich froh, dass ich genug Arbeit habe.