Blog: Warum ich gebaute Bike-Strecken doch gut finde | Ride MTB

Blog: Warum ich gebaute Bike-Strecken doch gut finde

Ride-Redaktor Stefan Michel fährt lieber alte Wege als gebaute Bike-Strecken. Nach einem Tag in Engelberg muss er sein Urteil teilweise revidieren. Oder sagen wir: justieren.

Sonntagmorgen weit über Engelberg. Ich habe die Nacht im Berggasthaus verbracht und bin draussen, bevor die Wanderer kommen. Am Tag davor hat es wie aus Eimern geregnet, die Wettervorhersage verspricht einen trockenen, aber keinen sonnigen Tag. Massen von Wanderern werden mir morgens um halb neun nicht begegnen. Ich wage es deshalb, als erste Abfahrt einen Wanderweg unter die Räder zu nehmen. Engelberg hat in den letzten Jahren einige Strecken gebaut und erwartet dafür, dass die Biker die anderen Wege den zu Fuss Gehenden überlassen. Ich habe mir aus den oben genannten Gründen erlaubt, eine Ausnahme zu machen.
 
Der Wanderweg liegt wunderschön ins Gelände eingebettet auf einem zuerst leicht, dann steiler abfallenden Rücken. Ich gehe die Abfahrt vorsichtig an. Der Pfad ist selten steil, aber ziemlich verblockt. Da ich mich in Schritttempo vorwärtsbewege, sind auch harmlose Stufen ein grosses Hindernis. Es wäre ideales Übungsgelände, denn der Weg ist nie ausgesetzt, aber fast durchgehend knifflig.
 
Weil ich keine Lust habe, in den verstreut liegenden Fussball-grossen Steinen oder den kantigen Felsen aufzuschlagen, steige ich Mal für Mal ab. Mit jedem weiteren vorzeitigen Ausklicken schwindet das Selbstvertrauen. Ich zweifle wieder einmal an meiner Eignung für diesen Sport und tröste mich mit meiner heute besonders ausgeprägten Vernunft, dank der ich es ohne blaue Flecken bis nach unten schaffe. Wanderer treffe ich keine an.

Trotz der gar nicht geschmeidigen Abfahrt ist dieses Suchen nach schwierigen, aber fahrbaren Wegen das, was mich am Mountainbikefahren fasziniert. Gebaute Strecken hingegen haben für mich etwas von Fast Food: einfache Kost, die möglichst vielen schmecken muss. Auch wenn sie anspruchsvoll sind, überraschen sie selten.

Nach der Mühsal auf dem Wanderweg die Befreiung auf der Piste

Zwei Stunden und ein Frühstück später stehe ich wieder oben und nehme mir die Engelberger Trails vor. Den Flow Trail lasse ich weg, «Hells Bells» gilt als rote, «Trudy» als schwarze Piste. Ich lasse es rollen, schliesslich sind das gebaute Strecken. Auf diesen geht bekanntlich jeder Sprung und jede Kurve auf, Wanderer gibt es keine, und gefährlich sind die Pisten auch nicht. Je schneller ich rolle, desto besser funktioniert alles. Ich überspringe Stufen und Doubles, die ich nie zuvor gesehen habe, bremse enge Kehren kurz vorher an, ich lasse es rollen, wie ich das sonst nur auf Trails tue, die ich seit Jahren fahre. Ich habe offensichtlich zwei Fahr-Modi: Einen für Singletrails, die nicht für Biker angelegt worden sind und einen zweiten für gebaute Strecken. Da lasse ich die Bremse lieber länger als kürzer offen. Zwischendurch kommt es mir vor, als ob das gar nicht ich bin, der das Bike über die Rüttelpiste jagt.  
 
Ich muss zugeben, nach dem Geeiere am frühen Morgen ist das Drauflosballern befreiend. Und ja, es macht richtig Spass. Umso mehr als es die Trail-Bauer geschafft haben, Felsen und Geröll so zu integrieren, dass einzelne Abschnitte trotz aller Shape-Arbeit ganz schön ruppig zu fahren sind. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass hier nur meine Reifen in Gefahr sind. Um mich mache ich mir keine Sorgen.
 
Mit dem Schwung von den Bikepisten rolle ich danach talwärts. Auf den weniger vorhersehrbaren Wanderwegpassagen bin ich nun einiges flüssiger unterwegs als auf meiner ersten Abfahrt am Morgen. Es ist die pure Freude. Unten weiss ich: Bikestrecken sind auch für mich eine feine Sache; ab und zu. Heute haben sie mir geholfen in meinem Lieblingsterrain, das mich immer wieder überfordert, besser zurechtzukommen.

 


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