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Blog: Innovate and die

Die Bike-Branche legt einen Innovationsrythmus an den Tag, der Lust macht. Auf Kajak-Fahren. Ein Mountainbike in meinem Fuhrpark ist ein gutes Jahr alt – und steht da, wie ein technologischer Dinosaurier.

Ich und mein Kayak. Das stelle ich mir schön vor - auch wenn ich keines besitze. Das Schiffchen macht Freude. Ganz neu, und auch zehn Jahre später. Denn Boot bleibt Boot. Bei meinem Mountainbike schauts anders aus: Das wurde im August 2014 bestellt und im Januar 2015 endlich geliefert. Im März 2016 steht das Bike technologisch da wie ein Oldtimer. Nix Boost, nix Plus-Reifen, nix 11-50er Kassette.

Seit vor zehn Jahren zahlreiche europäische Hersteller den 29er-Zug verpasst haben, scheint die Industrie im Innovationstaumel zu sein.

Im Taumel
Dazu ein paar Beispiele gefällig? Im Jahr 2012 tauchten die 650b-Räder auf. Die Bike-Branche hat innert zwei Modelljahren 26 Zoll an den Rand der Existenz gebracht. Wer jetzt einen hochwertigen 26 Zoll-Laufradsatz braucht, sollte sich auf eine intensive Suche gefasst machen.

Durch die irsinnig schnelle Umstellung auf 27.5 Zoll gab es vorerst nur Komplettvelos, und kaum Zubehör. 27.5“ Reifen zu bekommen war im Jahr 2013 beinahe unmöglich. Wenn jemand auf den neuen Zug aufgesprungen ist – und Freude daran hatte – bei dem war beim Kaufen von Reifen spätestens Schluss mit Innovationslust.

Boost kommt zu schnell
Und jetzt ist Boost am Start. Ja! Das breitere Naben-Einbaumass macht Sinn. Es ermöglicht steifere Laufräder und Hinterbauten und noch ein paar Vorteile mehr. Aber ist es klug, nach dem rasanten Umzug auf 27.5 Zoll wieder einen Standard einzuführen, der ein, zwei, drei Jahre altes Material unkompatibel macht? Selbst Biker, die auf den neuesten Scheiss abfahren, kommen da an Grenzen. Da man ganze Fuhrparks und Ersatzteillager als unbrauchbar abstempeln kann.

Plus ginge dann auch anders
Und dann Plus: Ja, diese Reifen sind der Wahnsinn. Grip ohne Ende. Klar, die fetten Walzen produzieren mehr Querkräfte, und breitere Einbaumasse sind perfekt, um diese Kräfte aufzufangen. Doch es ist Augenwischerei der Branche, dass diese Räder nur mit Boost-Naben (110 und 148mm) funktionieren.

Wer mal in seinen 29er-Boliden (mit Nabenbreiten 100 und 142 Millimeter) Plus-Laufräder eingebaut hat, wird nicht mehr ganz so schlau aus dem Marketing-Geschwätz. Denn so riesig ist der Unterschied nicht zum Boost-Mass. Steifigkeit ist gut. Aber nicht so gut, um dafür den ganzen Markt auf den Kopf zu stellen. Und ob der Biker dieses Plus an Steifigkeit tatsächlich spürt, ist äusserst fraglich. (BTW: Wer heute Plus-Reifen will, dann ist die Suche übrigens ähnlich unterhaltsam wie bei der 650b-Pneu-Suche im Jahr 2013.)

Die neue Einfachheit: Das E-MTB
Noch kurz zu den E-Mountainbikes: Warum haben diese Fahrzeuge so viel Erfolg? Klar, weil sie Spass machen. Erfolg haben E-MTBs auch, weil Marktantreiber wie Bosch nicht allzu hochtourig an der Innovationsschraube drehen. Kommen Innovationen wie ein Akku mit mehr Kapazität, dann ist das abwärtskompatibel. Würde ein bekannter, grosser US-Komponentenhersteller E-Antriebe bauen, dann wäre der neue Akku vermutlich nicht abwärtskompatibel. Es bräuchte selbstverständlich ein neues Bike dazu, da die Einbaubreite des neuen Akkus grösser oder schmaler wäre.

Das konventionelle Bike verkauft sich schlechter
Gemäss Zahlen des Branchenverbands Velosuisse gingen im Jahr 2015 die Verkäufe von Mountainbikes zurück. Ja, der E-Mountainbike-Boom gräbt den konventionellen Bikes die Marktanteile ab. Könnte es auch sein, dass der potentielle Käufer keinen Bock mehr hat, sich ein Bike anzuschaffen, das nach zwei Jahren als technologischer Oldtimer dasteht?

 


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