Appenzell: Den Bikern gehts an den Kragen | Ride MTB

Appenzell: Den Bikern gehts an den Kragen

Während heute viele Regionen die Mountainbiker als interessante Gäste oder als steuerzahlende Bewohner erkannt haben, geht der Kanton Appenzell Innerrhoden einen anderen Weg: Die Behörden bringen die Kantonspolizei in Stellung, um Mountainbiker auf Wanderwegen zu büssen.

Ende Juni hat die Ratskanzlei des Kantons Appenzell Innerrhoden in einer Pressemitteilung einen scharfen Ton vorgegeben: «Das Befahren von Wanderwegen über Wiesen, Alpen und in Wäldern ist neben den vorgegebenen Routen für Mountainbiker nicht erlaubt. Die Kantonspolizei führt sporadisch Kontrollen durch und prüft, ob die Verbote befolgt werden.» Mountainbiken ist im Kanton nur gerade auf den acht offziellen – notabene weitgehend Singletrail-freien – Mountainbike-Routen erlaubt. Wer sich nicht an diese Routen hält, muss mit einer Busse von 30 Franken rechnen. Gegenüber Radio SRF halt Kapo-Pressesprecher Paul Broger allerdings den Ball flach: Sie machen keine Jagd, aber bei Polizeipatrouillen büssen sie, erläutert er die Ausgangslage.

Als Hauptgrund für das scharfe Vorgehen gegen Mountainbiker sind gemäss der Ratskanzlei nicht primär Konflikte mit Wanderern sondern der Schutz von Flora und Fauna. In ihrer Mitteilung teilt sie mit, dass die Abwesenheit der Mountainbiker «helfe, das unverfälschte Naturerlebnis zu erhalten». Anders ausgedrückt: Im Appenzell ist man der Meinung, dass Mountainbiker auf Singletrails Pflanzen und Tiere schädigen, ja sogar gemäss der Mitteilung diese der Gefahr des Aussterbens aussetzen. Der möglicherweise tatsächliche Grund des Verbots ist viel eher einer Aussage des Kapo-Pressesprechers Broger zu entnehmen. «Viele Wanderwege werden von Privatbesitzern zur Verfügung gestellt. Diese schätzen es nicht, wenn Biker über ihren Boden rasen», gibt dieser gegenüber Blick.ch zu Protokoll.

Unscharfe Gesetzeslage
Der Kanton Appenzell Innerrhoden gibt die Gesetzeslage als Basis ihres verschärften Vorgehens an. Dabei ist diese längst nicht so klar, wie sie dies vorgeben. Das kantonale Waldgesetz sagt in Artikel 13, dass «Fahren nur auf befestigten oder besonders signalisierten Wegen» gestattet ist. Allerdings gibt es bis anhin keine juristische Definition eines «befestigten» Weges. In Diskussionen reicht Spektrum von «befestigt» sei ein Weg dann, wenn dieser Lastwagen-tauglich sei, bis zur Ansicht, dass ein gebauter und unterhaltener Fussweg auch bereits als befestigt gilt.

Der Kanton Appenzell stützt sich hingegen primär aber auf das nationale Strassenverkehrsgesetz aus dem Jahr 1958. Dieses besagt in Artikel 43: «Wege, die sich für den Verkehr mit Motorfahrzeugen oder Fahrrädern nicht eignen oder offensichtlich nicht dafür bestimmt sind, wie Fuss- und Wanderwege, dürfen mit solchen Fahrzeugen nicht befahren werden.» So klar dieser Satz auch tönen mag, so wage ist sein juristisches Fundament. Die Definition von «offensichtlich nicht dafür bestimmt» hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten gänzlich verändert. Die Verifizierung auf Fuss- und Wanderwege ist weit von der gesellschaftliche Realität entfernt. Zudem muss ein Wanderweg nicht über seine Breite definiert sein, sondern kann auch über eine breite Forst- oder gar über eine Asphaltstrasse führen.

Nachbarkantone reiben sich die Hände
Der Kanton Appenzell tut mit seiner Medienmitteilung nicht viel mehr, als sein etwas rückständiges und konservatives Klischee zu untermauern. Das ist eigentlich schade, denn gerade in der Ostschweiz steckt enormes Potenzial für Mountainbiker – im Einklang mit Flora, Faune und Fussgängern. Derweil reibt man sich im benachbarten und bike-freundlichen Kanton Graubünden die Hände. Hier hat sich der Mountainbike-Tourismus zu einem zentralem Element des Sommertourismus entwickelt. Mit gezielter und strategischer Steuerung der Angebote und der Appellation an die gegenseitige Toleranz hat man hier vor mehreren Jahren einen erfolgreichen und nachhaltigen Weg eingeschlagen.

Bericht im Radio SRF (Bericht startet bei 5:05 Minuten):