Achtung Väter: Dieser Kinder-Bike-Schrauber schlägt alle | Ride MTB

Achtung Väter: Dieser Kinder-Bike-Schrauber schlägt alle

Ein besonderes Schmuckstück hat vor kurzem die Bike-Garage der Familie Dönni verlassen und ein neues Zuhause gefunden. Das Inserat auf einer der gängigen Veloverkauf-Plattformen hat Ride darauf aufmerksam gemacht. Die Bilder des hübschen 20-Zoll-Geschosses waren aber nur die Hälfte des Blickfangs. Patrick Dönni, verantwortlich für diesen Kindertraum zum Treten kann auch schreiben, weshalb wir ihm hier gleich mal das Wort überlassen:

Mini-Rennfeile: Yasec Custombike 20 Zoll

«Mein damals 6-jähriger Sohn wog rund 20 kg. Müsste er ein auf dem Markt verfügbares Kinderbikes bewegen, wäre das hochgerechnet, wie wenn ich mit einem Hardtail fahren müsste, das schwerer als das Ordonnanzvelo von 1905. Das konnte ich meinem Sohn nicht antun.»

Einen genügend leichten Rahmen für 20-Zoll-Räder fand der Tüftler nicht. Hingegen stiess er auf einen ungarischen Rahmenbauer, der Alurahmen auf Mass schweisst. Die Rohre seien eigentlich für ein Triathlonvelo gedacht. «Um das Maximum an Leichtbau herauszuholen, wurden nur die dünnwandigen Mittelstücke der konischen Rohe verwendet.» Der 850 Gramm leichte Rahmen erhielt eine Carbongabel. «Und wie das mit dem Leichtbau so ist; wenn man einmal damit angefangen hat, kann man fast nicht mehr aufhören. Also wurde das Bike mit feinen und leichten Komponenten bestückt, wie z. B. Formula R1 Scheibenbremsen, Federleicht Kurbel, getuntes Sram Red Schaltwerk, Alukassette von Tiso 10 fach auf 7 Gänge gespacert, Titan-Schrauben etc. Das Gewicht des kompletten Velos lag unter 5Kg.» Weder Trigger- noch Drehgriff-Schaltung fand Patrick kindergerecht. «Archer Components montiert. Die Federn am Schalt-Paddle habe ich durch weichere Exemplare ersetzt. Somit lässt sich die Schaltung mit geringstem Kraftaufwand sehr ergonomisch bedienen und schaltet beinahe so schnell wie meine AXS.»

Das Bike freute nicht nur den Erbauer. «Auch wenn dieses kompromisslose Projekt einen etwas dekadenten Beigeschmack hat, ermöglichte uns dieses Bike, dass unser Sohn bereits in seinem frühen Alter auf technisch anspruchsvollen und ausgedehnten, z. T. sehr steilen MTB-Touren mitfahren konnte, ohne dass dabei der Spass zu kurz kam. Die Reaktionen von Beobachtern reichten vom Kopfschütteln bis zum Grinsen. Fremde Kindern, die das Velo einmal Probe gefahren sind, wollten es nicht mehr aus den Händen geben. Das hat einmal fast einen Streit mit anderen Eltern ausgelöst.»

Der Sohn wuchs aus dem Bike hinaus. Damit die kleine Schwester ebenso viel Freude daran haben würde, erhielt es eine neue Lackierung. Rennen mochte sie im Unterschied zum Bruder nicht fahren. Freude habe sie trotzdem daran gehabt.

Patricks Schrauber-Geschichte: Leichtbau bis das Bike bricht

Zu seiner eigenen Mountainbike-Geschichte schreibt Patrick: «Ich durfte während meiner späten Jugend die Blütezeit des Mountainbikes erleben, bei welcher eine Erfindung der anderen folgte. Vor allem die kleineren Bike-Schmieden in den USA mit ihren von Hand gefertigten Bikes sowie die CNC-gefrästen, bunt eloxierten Anbauteile faszinierten mich. Die Szene verfolgte ich vor allem in den Bike-Magazinen.»

15 Jahre später konnte er sich die Traum-Bikes seiner Jugend leisten. «Ich kaufte aus der ganzen Welt Rahmen und Anbauteile und baute während Jahren eine überschaubare Sammlung auf. Im Fuhrpark befanden sich Schmuckstücke von Yeti, Ritchey, Mountaingoat, Manitou sowie einige Exoten wie Extreme, Curtlo oder Landshark. Später fing ich auch an, mit gesuchten Bikes und Teilen zu handeln, um neue Projekte zu finanzieren und die Sammlung zu erweitern.»

Ein Ritchey P-20 überzeugte ihn auch mit seinen Fahreigenschaften. Nur etwas leichter sollte es werden. Als er unter 8,5 Kilogramm angelangt war, brach die Sattelstütze und das Hinterrad brach wegen zu leichter Reifen aus. «So lernte ich, wo die Grenzen des vernünftigen Gewichttunings liegen. Die Leidenschaft ist bis heute geblieben und anstatt ein Bike von der Stange zu kaufen, baue ich sämtliche Bikes unserer inzwischen 5-köpfiger Familie immer individuell und mit viel Liebe zum Detail auf. Auch unsere aktuellen Bikes bringen kaum ein Gramm zu viel auf die Waage, wobei Funktion und Sicherheit heute im Vordergrund stehen.»

Das Handwerk lernte er in der Lehre zum Mechaniker, aber nicht nur: «Als Jugendlicher baute ich mit meinem älteren Bruder alles um, was auf Rädern stand. Alte Velos wurden plötzlich durch Benzinmotoren angetrieben, unsere Mofas erinnerten an Chopper aus den 70ern und an einem ausgedienten 125er Motorrad montierten wir einen selbstgebauten Seitenwagen.» Mit älteren Saab-Modellen sammelte er weitere Schrauberfahrung. «Ich bin nun seit über 20 Jahren in der IT-Branche und pflege mein handwerkliches Hobby, egal ob im Garten, an meinen Autos oder eben in der Velowerkstatt als Ausgleich zur reinen Kopfarbeit.»

Noch ein Custom-Rahmen: Sarto 24 Zoll

Dem rennbegeisterten Sohn wurde das 20-Zoll-Bike bald zu klein. Dönni entschied sich dagegen, schliesslich würde auch dieses Bike von der jüngeren Schwester noch gefahren. «Ein Rad von der Stange fand ich irgendwie langweilig und einen Rahmen aus China war auch nicht mein Ding. Für einen adäquaten Nachfolger musste also wieder eine Sonderanfertigung gebaut werden.»

Dieses Mal erhielt der italienische Rahmenbauer Sarto den Auftrag. «Bei den Geometriedaten habe ich auf Basis von Durchschnittswerten einiger bekannten Hersteller besonders den Sitzwinkel für einen hohen Anpressdruck steiler und die Kettenstrebe für die nötige Wendigkeit bei den verwinkelten XC-Rennkursen noch kürzer gewählt. Ich hätte eigentlich eine leicht geschwungene Form gewünscht. Antonio Sarto meinte aber, dass das tube-to-tube Verfahren mit vorgefertigten, geraden Rohren notwendig wäre, um meine sportliche Gewichtsvorgabe von 800 Gramm zu erreichen.»

Um dieses Projekt zu finanzieren, verkaufte Patrick Dönni ein Exemplar aus seiner ansehnlichen Retro-MTB-Sammlung. Zudem reduzierte er die Kosten, indem er auf frühere Leichtbauprojekte zurückgriff: So kam eine Formula R1 Racing Bremsen und eine 10-fach Titan-Kassette an das Bike. Die Gabel: Ritchey WCS Cyclocross, die Räder natürlich ebenfalls individuell zusammengestellt mit Stan's No Tubes Crest und Sapin XC-Ray Speichen. «Das Gesamtgewicht von 1190 Gramm inkl. Felgenband war für das Preis-Leistungs-Verhältnis zufriedenstellend.»

Dieses Mal durfte es eine mechanische Schaltung sein: «Schliesslich hatte mein Sohn inzwischen genug Kraft in den Fingern und die DI2 war damals auch auf dem Gebrauchtmarkt noch nicht zu einem vernünftigen Preis erhältlich.» Für die kleinen Kinderhände gabs extra dünne BMX-Lenkergriffe, die Bremshebel der R1 so nah als möglich am Lenker eingestellt. «Mit der Hängewaage gemessen wiegt das fertige Bike ohne Pedalen sensationelle 5,79Kg. Auch bei diesem Bike vermute ich, dass es das weltweit leichteste 24 Zoll Kinderbike ist.

Scott Scale SL 26 Zoll mit getunter RockShox SID

Kinder wachsen schnell, Patrick wusste, was als Nächstes kommt. «Mit der Laufradgrösse 26» konnte ich auch beim Rahmen endlich auf Standardware zurückgreifen.» Seine Wahl fiel auf ein Scott Scale 899. In Grösse S wiegt der Rahmen nur 890 Gramm wiegt.

Schon länger hatte er nach der optimalen Federgabel Ausschau gehalten. «Als besonders geeignet stellte sich die zweite Generation der Rockshox SID heraus. Sie ist nicht nur von Haus aus leicht, sondern bietet auch umfangreiche Einstellmöglichkeiten und viel Tuning-Potenzial.» Der erfahrene Retro-Bike-Mechaniker besorgte sich mehrere SID-Gabeln aus den Jahren 2002-2007 in der Version mit Carbon-Brücke sowie das nötige Spezialwerkzeug. Von einem Bekannten übernahm er mehrere Kilo Federtuning-Material. «Damit begann ich zu experimentieren.»

Nach einer Superleicht-Version, die nur in einem Gabelholm einen Dämpfer hatte, kehrte er zu einem original bestückten Modell zurück, mischte aber Dämpfer-Öl in zwei verschiedenen Viskositäten zusammen. Das heisst, er tüftelte mit dem Mischverhältnis, bis er das gewünschte Dämpferverhalten erreicht hatte. «Die Gabel arbeitet nicht bei jedem Grashalm, aber bei jeder wirklichen Bodenunebenheit sehr effizient.»

Wieder war bei den weiteren Teilen nur superleicht leicht genug, darum AX-Lightness-Räder und Lenker, eine Mighty Alu-Kassette, eine Sattelstützen-Sattel-Kombination aus Carbon. «Passend zum bereits im Jahr 2020 nach Oldschool aussehenden Rahmenset hatte ich noch eine ungebrauchte Tune Fast Foot Kurbel in limitierter Kindergrösse (145 Millimeter Armlänge) und das passende Tretlager aus Titan, wobei ich wieder eine kürzere Achse benötigte, um eine saubere Kettenlinie zu erhalten.»

Diesmal schaltet der Sohnemann mit einer XTR/XT-Combo und bremst mit der Formula R1. Ohne Pedale wiegt die Rennfeile 6,7 Kilogramm. «Mit der Ritchey WCS Starrgabel knackte ich sogar knapp die 6Kg Grenze.»

Inzwischen ist er auch diesem Bike entwachsen. Die nächste Stufe ist 27.5. Aktuell arbeitet Patrick am Set-up der Saison 2024 mit 29er Rädern. Aber davon ein andermal.