Test: Specialized Epic Pro – optisch gezähmt, charakterlich geschärft | Ride MTB

Test: Specialized Epic Pro – optisch gezähmt, charakterlich geschärft

Es ist das Bike-Modell das am meisten Erfolge auf dem Buckel hat und trägt einen wohlklingenden Namen: Epic. Von diesem Rennboliden hat Specialized kürzlich die neuste Generation mit neuer Geometrie, leichterem Rahmen und neuem Brain-System präsentiert. Wir durften das Epic in der Pro-Ausführung einem ersten Test unterziehen und vor allem dem Brain auf den Puls fühlen.

Optisch hat das Epic etwas geschlankt und seine Formen sind runder wie auch sanfter geworden – hoffentlich nicht sein Charakter. Trotz der leichten Veränderung ist es noch deutlich als Epic erkennbar. Auffallend an diesem ist aber auch der Hinterbau der nun aus einem Stück ist und somit ohne FSR-System (Horst Link) auskommt. Damit will Specialized deutlich Gewicht gespart haben. Die dritte, auffallende Veränderung betrifft das automatische Federungsschliesssystem «Brain». Dieses kommt ebenfalls in der neusten Ausführung und erstmals mit samt dem Federbein von Rock Shox. Im Weiteren liegt das Brain nun nicht mehr vor sondern hinter der Hinterradachse, was die Reaktionsfähigkeit des Trägheitsventils verbessert.
  Das neue Epic besticht mit sanften Kurven und aufgeräumter Optik – nicht zuletzt wegen des neuen Brain-Systems. Foto ©Balz Weber
 

Spass bergauf

Vor Beginn der Testfahrt stelle ich die Auslösehärte des Brain auf die mittlere Position, und auch das der Gabel. Die Fahrt startet mit einem Aufstieg und da kommen die Karten  sofort auf den Tisch. Obwohl naturgemäss sehr sportlich, fühlt sich die Sitzposition des Epic angenehm und sehr kraftschonend an – sogar noch etwas besser ausbalanciert als beim Vorgängermodell.
 
Klettern macht richtig Spass damit, und in steileren Rampen liegt es auch dementsprechend gut. Das Vorderrad bleibt, ohne grossen Kraftaufwand vom Oberkörper, satt am Boden. So bekommt auch das Hinterrad viel Druck, dass der feinprofilierte Reifen genügend Traktion bietet. So sind damit auch technisch anspruchsvolle Anstiege gut zu meistern, zumal auch das einfache Handling viel dazu beiträgt.
 
Im unrhythmischen Aufstieg, beim Wechsel zwischen Sitzen und Wiegetritt, sind die Qualitäten des neuen Epic am besten spürbar. Obwohl der Rahmen schlanker wirkt als der alte, fühlt er sich im Tretlagerbereich steifer an – ideal wenn man für harte Antritte aus dem Sattel geht und zum Sprint ansetzt. Da lässt sich das Bike sehr leicht beschleunigen.
 

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Die Kletterfähigkeit des Epic ist sowohl im schnellen und einfachen, als auch im technisch anspruchsvollen Gelände überzeugend. Foto ©Alex Quesada
 

The Life of Brain

In der mittelharten Einstellung spürt man gut, wie schnell das Brain den Dämpfer öffnet und schliesst. Nur ein feines Losbrechmoment ist bei sanften Unebenheiten wie bei leichten Wellen spürbar, dann ploppt das System auf. Ehe ein Gedanke ans Schliessen aufkommen könnte ist es auch schon wieder zu und lässt den Fahrer kein bisschen Energie zu viel verschwenden. Bei kantigen Schlägen bergauf ist das leichte Losbrechmoment kaum wahrnehmbar – bergab spielt das sowieso keine Rolle, da es bei der schnellen Schlagabfolge offen bleibt.
 
Wird die Auslösehärte aufs Maximum erhöht, fühlt sich das Epic schon fast wie ein Hardtail an. Die Einwirkungen aufs Laufrad müssen schon deutlicher oder kantig sein, dass das Brain öffnet. Das Losbrechmoment ist dabei gut spürbar. Eben aus reicht eine ultrakurze Schlagpause damit das System die Federung schliesst.
Der Test mit geringer Auslösehärte ist aber ebenso positiv. Ein Losbrechmoment ist auch bei langsamer Gangart oder bergauf nicht mehr wahrnehmbar, und man hat das Gefühl mit einem dauerhaft aktiven Federungssystem unterwegs zu sein. Das Brain schliesst und öffnet, ohne dass es einem auffällt. Das Epic entwickelt sich so schon fast zu einer Sänfte, die gleich beim nächsten harten Antritt zeigt wofür es geschaffen ist – um sauschnell zu sein.

Die Federcharakteristik des Epic-Hinterbaus gefällt auch mit den markanten Änderungen wie der Verzicht aufs FSR-System und die Umstellung auf Rock-Shox-Dämpfer. Ist das System aktiv, spricht die Federung fein an und arbeitet die Schläge gut ab. Gefühlt setzt die Progression im letzten Viertel des Hubs ein und bietet dann ausreichend Support, zum Beispiel im technischen Gelände bergab wie bergauf, oder beim überwinden von Hindernissen.
 

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Leichter, kompakter, sensibel und schnell – das neue Brain ist ein gelungener Wurf. Foto ©Balz Weber
 

Länge stabilisiert

What goes up, must come down, und wer den Berg hochgejagt ist, der freut sich auch auf die Abfahrt. Dass das neue Epic besser ausbalanciert ist, spürt man vom ersten Meter an. Es fühlt sich gutmütig und ruhig an, selbst wenn es für Cross-Country-Verhältnisse ordentlich rasant wird. Erstaunlich wie solch kleine Differenzen in der Rahmengeometrie, verhältnismässig doch Unterschiede ausmachen können.
 
Beim Wechsel zwischen schnellen Passagen und kurz aufeinanderfolgen Kurven kommt nicht nur die Manövrierfähigkeit des Epic zum Tragen, auch dass der Hinterbau steifer geworden ist, spürt man hier deutlich – das Epic ist extrem flink. Im verblockten Gelände sind die Unterschiede zum alten Epic allerdings marginal.
 

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Specialized schafft beim neuen Epic den Spagat zwischen hoher Laufruhe und Agilität für schwieriges Terrain. Foto ©Alex Quesada
 

Fazit

Das neue Epic ist noch etwas konsequenter auf Rennsport getrimmt, und das macht sich in verschiedensten Bereichen positiv bemerkbar: Bergauf bei Gewicht und Steifigkeit, bergab sind es der flachere Lenkwinkel und der längere Reach die den Vorteil ausmachen. Das neue Brain ist ebenfalls sehr gelungen – es arbeitet sensibel und schnell und lässt sich bestens auf die persönlichen Bedürfnisse einstellen. Bereits in der Pro-Ausführung ist das Epic eine Granate und für jeden Cross-Country- und Marathon-Fan eine ausgezeichnete Wahl. Zu meckern gibt es an diesem Bike eigentlich nichts. Aber wollen wir die Nadel im Heuhaufen suchen, dann wünschten wir uns, nach heutigen Standards, noch etwas breitere Felgen. Wem die Variosattelstütze fehlt – zum Beispiel uns – der Rahmen ist für Stützen mit interner Kabelführung vorbereitet.

www.specialized.com
 
 
 
 


Alles Wissenswerte zu Specialized gibts im Ride-Brandguide für Specialized

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