Sechs mal Mountainbike-Murks: Das bringt Mountainbiker und Mechaniker auf die Palme | Ride MTB

Sechs mal Mountainbike-Murks: Das bringt Mountainbiker und Mechaniker auf die Palme

Mountainbikes sind nahezu göttliche Geräte, die sagenhaft viel Spass machen. Es gibt aber Fälle, wo der Spass aufhört. In diesem Blog nennt Ride sechs Schauplätze, bei denen die Hersteller noch einiges zu tun haben, bis das Mountainbike da ist, wo es hingehört.

Die Federung

Stell dir vor: Du fährst meist alleine im Auto. Und dann nimmst du zwei Personen mit. Vor der Fahrt zu Dritt holst du die Federbeinpumpe aus dem Kofferraum und passt den Druck der Autofederung an. Nach dem ersten Anpumpen müssen alle Passagiere einsteigen und dann möglichst ohne das Auto zum Einfedern zu bringen, wieder aussteigen. Dann kannst du den Negativfederweg ablesen - und wenn es nicht passt, kannst du das Anpumpen, Ein- und Aussteigen nach Belieben wiederholen.

Genaus so – und nicht anders – geht es heutzutage zu und her mit der Justage einer Federung am Mountainbike. Was am Auto lachhaft wirkt, ist beim Biken triste Realität. Gut, es gibt von Specialized ein Auto Sag-System. Schön wäre, wenn sich dieses System auf die ganze Branche ausweiten liesse. Denn ein korrekt eingestelltes Fahrwerk bringt x-fach mehr Fahrleistung auf den Trail als beispielsweise etwas breitere Naben à la Boost.

Entlüften von Bremsen

Liest man ein Tutorial in einem Bike-Heft, wie man Bremsen entlüftet: Die Geschichte ist in fünf Minuten erledigt. Doch die Arbeit geschieht stets unter Laborbedingungen, die Bremsen sind meist nigelnagelneu. Nirgends nur irgendeine Spur davon, dass das Bike schon mal einen Trail gesehen hat. In der Realität sieht das anders aus: Wenn Bremsen zu entlüften sind, dann haben diese schon tausende Tiefenmeter hinter sich. Entlüftungsnippel sind nur schwer zu öffnen, die Druckpunktverstellung macht was sie will, Nehmerkolben sind eventuell bereits undicht.

Das Resultat: Man setzt eine mit Bremsflüssigkeit befüllte Spritze an, die Luft entweicht, aber an allen Ecken und Enden läuft das Bremsmedium runter und hinterlässt eine passable Schweinerei. Das muss zweifelsfrei nicht immer so aussehen. Aber mehr Plug and Play, respektive Plug and Bleed wäre schön. Ein Entlüften ohne neue Bremsflüssigkeit beizugeben zu müssen: Das wäre ein Traum.

Die interne Verkabelung

Es schaut schön und aufgeräumt aus: Die Kabel verschwinden im Steuerrohr und erblicken das Tageslicht erst wieder kurz vor dem Schaltwerk, der Bremse oder dem Motor. Bei einem Mountainbike mit interner Verkabelung kann aber der simple Defekt zur Arbeitsorgie ausarten. Besonders viel Spass in der Werkstatt macht beispielsweise die Bremsleitung der Hinterradbremse, die sich nur ersetzen lässt, wenn man den Mittelmotor entfernt.

Noch ein Clou daran: Nach getaner Arbeit sieht alles wieder schön aufgeräumt aus – und der Kunde kann sich kaum vorstellen, das dafür der Motor auszubauen war. Die Bereitschaft, die Kosten dafür zu tragen dürfte dementsprechend überschaubar sein. Die Hersteller würden gut daran tun, für die interne Verkabelung Systeme zu entwickeln, die unkompliziert und einfach zu bedienen sind. Heute ist das Gegenteil der Fall.

Das Tretlager

SBB, so lautet die alte militärische Devise – und diese gilt auch beim Mountainbike. «Suchen bis gefunden» gilt es auszuführen, wenn der Kunde Knacksen am Velo beklagt. Das kann ein lose Bidonhalterschraube sein, ein Pedal, das nicht korrekt angezogen ist oder Sattelgestänge neigen auch mal zum Knacksen. Oft sind es jedoch Tretlager, die Noten von sich geben, die als äusserst disharmonisch wahrzunehmen sind. Bei modernen BSA-Lagern – also aussen am Rahmen eingeschraubte Lagerschalen – ist das Prozedere, das Knacksen zu beheben meist einfach. Kurbel raus, Lager raus, Lagersitz reinigen und Fetten, Lager und Kurbel wieder rein.

Bei Pressfit-Lagern  siehts ganz anders aus. Oft ist hier nicht «Nomen est Omen», denn es gibt mehr als oft Lagersitze, die nicht präzise gefertigt sind. In diesen unpräzisen Aufnahmen kann ein Lager schlicht und einfach nicht knacksfrei arbeiten. Es wäre mehr als wünschenswert, wenn die Bike-Branche sich wieder auf geschraubte Lagersitze beim Tretlager rückbesinnen könnte.

Systemintegration

Es gibt Hersteller, die haben durch eigenständige und kreative Ideen das Bike weit vorangetrieben. Beispielsweise die Systemintegration zwischen Schuh und Pedal – Stichwort Klickpedal - ist eine der wichtigsten Entwicklungen fürs sportliche Fahrradfahren. Systemintegration auf kleiner Flamme kann aber echt nervig sein: Genau diese Dämpferaufnahme gibt es nur einmal, in diesen Rahmen passt nur dieser Steuersatz und diese Gabel passt nur genau mit dieser Nabe zusammen. Bei solchen Fällen macht das Produkt meist nur im Moment Spass. Nach ein paar Jahren, wenn man nach Ersatzteilen sucht, hört das Vergnügen gerne mal auf. Denn der Hersteller hat diese Spezialteile nur kurz eingesetzt und dann aus dem Ersatzteilkatalog gestrichen.

Das Bananen-Produkt

Besonders viel Spass macht das Produkt, das erst beim Kunden reift. So ist das Kettenblatt mit einem Verschlussring versehen, das nicht hält. Die Federgabel ist mit Dichtungen versehen, die für kalifornischen Bedingungen top sind, aber in einem harten Schweizer Winter bald den Geist aufgeben. Die Speichen am Hinterrad brechen einfach immer und immer wieder. Das Resultat dieser Bananen-Strategie sind Rückrufe.

Einige Hersteller wälzen den Löwenanteil der Rückrufarbeit auf die Bike-Shops ab (Kunden informieren, Teile ersetzen, eventuell Ersatzrad zur Verfügung stellen). Und diese Hersteller schiessen dann gerne nochmal den Vogel ab: Für den Aufwand des Bike-Shops, die Produkt-Banane gerade zu biegen, gibt es ein Bidon als Entschädigung. Oder zehn Franken. Oder, das ist auch gar nicht so selten: Es gibt gar keine Entschädigung für die Fachhändler, die die Bananen-Böcke der Hersteller ausbaden.