Joe Broder und Andreas Kurmann – zwei Wegbereiter des Schweizer Nachwuchs | Ride MTB

Joe Broder und Andreas Kurmann – zwei Wegbereiter des Schweizer Nachwuchs

Joe Broder und Andreas Kurmann sind zwei prägende Figuren in der Schweizer Mountainbike-Szene. Beide führen seit vielen Jahren die Cross-Country-Nachwuchs-Teams «JB-Brunex-Felt » und «Strüby Bixs» und haben gerade mit dem Frauennachwuchs beträchtlichem Erfolg. Ride hat mit den beiden Männern im Schatten ihrer Athleten über Freude, Frust un die Zukunft gesprochen.

Seit vielen Jahren verschreibt ihr euch dem Nachwuchs. Was ist euer Antrieb für eine solch wichtige Arbeit, die ihr notabene neben eurer beruflichen Tätigkeit leistet?
Joe Broder: Ich habe grosse Freude mit jungen Menschen zu arbeiten. Es ist schön, mitzuerleben, wie sie sich entwickeln. Das grosse Vertrauen, das mir viele unserer Fahrer entgegenbringen, motiviert zusätzlich. Die jungen Menschen leisten viel, das nötigt mir immer wieder Respekt ab.
Andreas Kurmann: Für mich ist es spannend, mit jungen Leuten zu arbeiten, die motiviert sind, sich in einem Sport einzusetzen und dort Ausser-gewöhnliches zu leisten. Das ist meine Moti-vation, dass ich das unterdessen schon 17 Jahre lang mache.

Könnt ihr beziffern wie viel eurer Freizeit ihr dafür einsetzt, eure Teams zu managen?
JB: Ausser einer Woche Privaturlaub geht die restliche Zeit direkt ins Team – aus grosser Freude, da es mein Hobby ist. Ich habe das Glück, dass meine Frau Lisa da voll mitzieht und das mit mir gemeinsam macht.
AK: Ich bin rund 90 Tage pro Jahr mit meinem Team in Trainingslagern sowie an Weltcups und nationalen Rennen unterwegs.
 
Ihr beide bringt gerade bei den Frauen immer wieder grosse Talente hervor. Woher kommt das?
JB: Aus meiner Zeit bei Ghost, das damals auch schon ein komplettes Frauenteam war, hat sich herauskristallisiert, dass ich gerne und gut mit Frauen zusammenarbeiten kann und es für mich relativ einfach zu handhaben ist.
AK: Nicht nur, Reto Indergand ist in meinem Team gross geworden. Er trainiert bis heute nach meinen Plänen. Für die Erfolge mit den Frauen gibt es drei Hauptgründe: Ich bin fahrtechnisch noch in der Lage, alle Strecken der Welt selber abzufahren und kann die Frauen bei schwierigen  Passagen besser unterstützen. Ich spüre Emotionen und Schwingungen der Fahrerinnen gut. Zudem gibt es bei den Männern rund drei Mal mehr Fahrer, weshalb es bei den Frauenkategorien etwas leichter ist.
 
Andreas, drei deiner erfolgreichsten Athleten fahren heute in internationalen Teams. Ist das nicht frustrierend, wenn Fahrer, auch dank deiner Arbeit, zu Weltklasseathleten heranreifen und sie dann abwandern?
AK: Ja, das ist es. Im Fussball gibt es riesige Ablösesummen – im Mountainbike manchmal ein Dankeschön.
 
Joe, mit Thomas Litscher erlebst du aktuell den umgekehrten Trend – ein Weltklassefahrer kommt zu dir. Was bedeutet das für ein Team wie das JB-BRUNEX®-Felt?
JB: Eigentlich entspricht das Unternehmen Thomas Litscher nicht unserer Team-Philosophie. Da ich Thomas Litscher aber schon seit vielen Jahren verfolge und er auch aus einem Nachwuchs-Team herausgewachsen ist und bei den Junioren sowie bei den U23 einen Weltmeistertitel errungen hatte, ist er sozusagen ein Vorzeigesportler für unser Team. Als Thomas nach der Auflösung von Merida auf mich zugekommen ist, habe ich mir viele Gedanken gemacht. Aber weil ich immer an Projekten weiterarbeiten will, habe ich mir überlegt, dass dies der Weg für einen weiteren Schritt sein könnte. Der Aufwand wird sicherlich nicht weniger. Ich habe viele Gespräche mit Sponsoren geführt, da wir nicht in der Lage sind einen Lohn für Thom zu zahlen, aber wir haben eine Übergangslösung für ein Jahr gefunden, um vielleicht 2018 ein neues Projekt aufzugleisen. Wir können ihm die Spesen für die Rennsaison übernehmen. Finanziell ist es für uns eine Gratwanderung, da die Zusammenarbeit ziemlich spät im Herbst 2016 zustande gekommen ist, als unser Budget und Struktur auch schon geplant war. Nichtsdestotrotz sehen wir eine grosse Chance für unsere jungen Athleten, sich an Thomas Litscher zu messen und sich weiter zu entwickeln. Das harmoniert auch schon sehr gut und gibt allen eine zusätzliche Motivation.
 
Abgesehen von Litscher hast du mit Sina Frei ein riesiges Talent in deinem Team, dass irgendwann auch in ein grösseres Team gehen könnte. Rechnest du damit, oder kommt vielleicht der Punkt, wo du ihr das sogar rätst?
JB: Ende 2016 hätte sie bei mehreren Profi-Teams die Chance gehabt, aufzusteigen. Umso stolzer sind wir, dass wir ein weiteres Jahr mit Sina zusammenarbeiten können und ihr die Chance für einen erfolgreichen Lehrabschluss und eine stressfreie Saison bieten können.
 
Ein grosses Thema ist immer die Sponsoren-Findung. Seit ihr da komfortabel aufgestellt, oder ist das Budget eher knapp bemessen?
J
B: Wir sind zwar sponsorentechnisch gut aufgestellt, jedoch ist das Budget Ende Jahr immer völlig ausgereizt, und es kann schon vorkommen, dass Lisa und ich aus unserer eigenen Tasche noch etwas dazu beisteuern müssen. Das Ganze wäre mit weniger Nachwuchsfahrern im Team natürlich einfach zu lösen, aber das soll nicht das Ziel sein.
AK: Mit meinen Hauptsponsoren, Strüby Bau AG und BiXS – Intercyle, habe ich das Glück zwei langfristige Sponsoren zu haben. Da ich kein Salär beziehe, selber noch etwas einschiesse und die Aufgaben des Team-Chefs, Trainers und zum grössten Teil des Mechanikers übernehme, komme ich über die Runden.

Andreas, ist dein Team nach drei Weltmeistertiteln finanziell besser gestellt als zuvor?
AK: Ja das hilft schon. Auf der anderen Seite kostet eine Weltmeisterin – Ramona Forchini – im Team zu behalten auch mehr Geld.
 
Falls ihr von euren oder zusätzlichen Partnern die finanziellen Mittel bekämt, würdet ihr Spitzen-Teams analog Scott, BMC oder Radon anstreben oder euch weiterhin auf den Nachwuchs fokussieren?
JB: Der Fokus wird bei uns immer auf dem Nachwuchs bleiben. Das schliesst aber das andere nicht aus.
AK: Ich würde als Priorität den Nachwuchs fördern, wenn sie dann Weltmeister sind, sie gut bezahlen und im Team behalten. Denn ich mag es nicht für irgendwelche fremden Fahrer den Bidonstrecker oder den Veloputzer zu machen.
 
Wird im Allgemeinen eigentlich estimiert, was ihr für den Schweizer Nachwuchs macht?
JB: In der Schweiz wird nicht so offen darüber geredet, jedoch hoffe ich schwer, dass die Nachwuchsarbeit im Mountainbike-Sport geschätzt wird.
AK: Die Eltern und die Fahrer schätzen meine Arbeit sehr, das gibt mir die Energie und die Freude, weiterzumachen. Der Verband – naja.
 
Wo seht ihr den Schweizer Mountainbike-Sport in vier Jahren? Wird es genügend starken Nachwuchs geben, um das grosse Erbe von Neff und Schurter anzutreten?
JB: Ich glaube an den Schweizer Nachwuchs. Es werden sicherlich wieder Talente von unten aufsteigen, jedoch müssen auch die Teams, Vereine und Swiss Cycling ihren Beitrag dazu leisten.
AK: Ich bin überzeugt, dass wir uns noch eine Weile halten können. Ein Talent wie Nino Schurter gibt es leider aber nur etwa alle 100 Jahre. Wir dürfen auch nie vergessen, die Stärke der Schweizer Mountainbiker ist, dass sie individuelle Einzelkämpfer sind, auch wenn sie in Teams fahren. So müssen wir auch weiterhin individuell fördern. Einheitsbrei gibt es genug in anderen Ländern.
 

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