Integralhelme haben auf dem Trail nichts verloren | Ride MTB

Integralhelme haben auf dem Trail nichts verloren

Es gibt kaum noch einen Helmhersteller, der diesem Trend nicht aufsitzt: Integralhelme mit abnehmbarem Kinnschutz. Gewissermassen die Tourenversion des Downhill-Helms. Sie sind immer häufiger im Gelände zu sehen, und Uvex hat dafür gar einen Innovationspreis erhalten. Doch was dem einzelnen als Schutz nützen mag, schadet dem Sport im Ganzen. Integralhelme haben abseits von Bikeparks und Downhill-Strecken nichts verloren, meint Ride-Herausgeber Thomas Giger in seinem Blog.

Plädoyer gegen den Integralhelm: Keine falsche Zeichen setzen

«Dann habe ich es doch einmal getan: Mir den Kinnschutz über die Stirn gezogen, meinen Kopf in den Integralhelm gezwängt, dabei die Ohren geknickt und mühselig am Riemchen rumgefingert, um den Helm zu schliessen. Goggle runter und rein in die Abfahrt. Das erste Mal mit Vollkopfschutz auf einen herkömmlichen Singletrail. Vermehrt sind mir in den letzten Jahren Mountainbiker aufgefallen, die einen sogenannten Fullface-Helm auf die Mountainbike-Tour mitschleppen und sich damit auf der Singletrail-Abfahrt besser schützen wollen. Ich habe dieses Verhalten nie wirklich verstanden, deshalb nun der Selbstversuch.

Ich passiere zwei Wanderer, grüsse wie immer freundlich, sie schauen mich aber bloss etwas entgeistert an. Weiter unten nochmals zwei, wieder keine entgegenkommende Reaktion, und als ich schliesslich unten am Trail einem Bauer begegne, da wechseln wir erst ein paar Worte, als ich den Helm abnehme. Zuvor hat er mich als möglichen Gesprächspartner gar nicht erst wahrgenommen.

Es ist erstaunlich, welch abweisende Ausstrahlung ein Integralhelm haben kann. Andere Personen nehmen mich nicht mehr als «normalen» Mountain­biker wahr – sondern als einen verhüllten Extremsportler, als etwas Fremdes, als etwas Unsympathisches. Als jemanden, mit dem man eigentlich lieber nichts zu tun hat. Genau aus diesem Grund haben Integralhelme abseits von Bikeparks und Downhill-Strecken nichts zu suchen. Sie verpassen dem Mountainbikesport ein extremes, vor allem aber ein falsches Bild. Wir Mountainbiker leiden in weiten Kreisen noch immer unter dem Image der Extrem­sportler, und ein Sinnbild dafür sind die Fullface-Helme.

Übertriebener Schutz vor einem seltenen Verletzungsbild

Natürlich bieten die Helme einen besseren Schutz, und mehr Sicherheit ist immer gut. Bloss sind Gesichtsverletzungen – wovor die Helme zusätzlich schützen – im Mountainbikesport äusserst selten. Ich habe in den letzten zwanzig Singletrail-Jahren viele Knochenbrüche ge­sehen, etliche Bänderzerrungen erlebt und unzählige Schürfwunden verarztet – aber bloss eine einzige Gesichtsverletzung mitbekommen. Integral­helme sichern uns gegen etwas ab, was kaum passiert. Das mag für all jene, die sich tatsächlich einmal solche Verletzungen zugezogen haben, wie ein Affront wirken. Doch die Statistik spricht eine andere Sprache.

Fazit meines Selbstversuchs: Integralhelme nützen auf Singletrails relativ wenig, richten aber einen offensichtlichen Image-Schaden an. Das sollten sich die Helmhersteller, die Fachhändler aber vor allem auch jeder einzelne und verantwortungsbewusste Mountainbiker bewusst sein. Dabei ist es unbestritten: Wer den ganzen Tag im Park bergab donnert, dort auch mal seine Limiten abcheckt, wer zu Sprüngen ansetzt, der trägt konsequent einen Integralhelm. Alles andere ist fahrlässig. Genau hier gehören diese Helme hin und nicht auf den Singletrail. Mein Selbstversuch mit dem Fullface-Helm wird deshalb ein einmaliges Unterfangen bleiben. Lieber bewege ich mich in der Abfahrt einmal länger in meiner Komfortzone, wechsle dafür mit dem einen oder anderen wohlgesinnten Wanderer ein paar Worte. Und geniesse den Fahrtwind im Gesicht.»

 

Nicht immer sind bekannte Mountainbiker auch gute Vorbilder. Michal Prokop, ehemaliger Fourcross-Weltmeister, zeigt in einem Promo-Film für den prämierten Uvex Jakkyl, wie man es genau nicht machen soll. Aggressiver Fahrstil auf einem Singletrail, natürlich mit einem der neuen Integralhelme mit abnehmbarem Kinnschutz. Konflikte mit anderen Wegbenutzern sind so programmiert.