Das Crash-Syndrom – oder bis dass ein Crash dich in die Schranken weist. | Ride MTB

Das Crash-Syndrom – oder bis dass ein Crash dich in die Schranken weist.

Die ersten Tage nach einem ordentlichen Abflug vergehen nur langsam. Etwas verunsichert ist man auch noch, sobald es ein wenig rutscht oder das Gelände augenfällige Schwierigkeiten hat. Schliesslich ist das schmerzhafte Erlebnis noch präsent und man will es nicht schon wieder erleben. Wochen vergehen und der Crash ist vergessen. Man fährt wieder schneller und frecher, aber auch sicher – zu sicher?

Als ich im Alter von 13 Jahren mit dem Biken begonnen hatte, gehörten Stürze fast zu jeder Ausfahrt dazu. Mit jedem Jahr wurden es weniger und irgendwann wurden sie zur Seltenheit. Ausrutscher und «Stolperer» zähle ich nicht zu den Stürzen – die Rede ist von denen, die einen auf den Boden der Realität zurückholen.

Doch bevor es soweit ist, fahre ich munter Rennen, Touren und vergnüge mich auf Downhill-Strecken oder Pumptracks – mal besser und schneller, mal unsicher und langsam – je nach Wohlbefinden. Grundsätzlich bin ich ein vorsichtiger Fahrer und vermeide es mit dem Boden zu kuscheln. Doch schliesst das Stürze nicht aus. Monatelang bleibe ich Sturzfrei und fühle mich super auf dem Bike. Doch irgendwann meldet sich ein immer wiederkehrender Gedanke: «Wann hat es mich eigentlich das letzte Mal so richtig hingehauen?» Wenn dieser Gedanke kommt, spielt es keine Rolle mehr, wie lange der letzte Sturz zurückliegt – ein ungutes Gefühl bleibt.

Der Countdown bis zum Knall

Solche Gedanken habe ich jeweils schnell aus dem Bewusstsein gestrichen, doch das ungute Gefühl hat sich wie ein Countdown ins Unterbewusstsein eingenistet und plötzlich läuft dieser Countdown ab: Drei, zwei, eins und bämm – der Weber fliegt durch die Luft und weiss eigentlich kein Bisschen warum.

So erinnere ich mich an eine Ausfahrt in Südfrankreich, auf der ziemlich motiviert einen Trail ansteuerte. Ich hatte einen ordentlichen Zacken drauf, als ich in die erste Kurve stach und mit einem Adrenalinrausch wieder rauskam. Sogleich in die nächste natürliche Anliegerkurve, die weder eine Rille, Steine oder Wurzeln darin hatte. «Jihaa, ist das geil»! Ich konnte nicht zu Ende jauchzen, flog ich durch die Luft. Mein Überschlag wurde derart beschleunigt, dass mein Kopf, bzw. mein Helm lediglich am Boden streifte, ich weiterrotierte und danach irgendwie auf den sandigen Untergrund krachte.

Als ich mich wieder gesammelt hatte und ausser einem gebrochenen Lenker am Bike, an mir nur Schürfungen und Prellungen diagnostizierte, begann die Suche nach der Ursache. Doch irgendwie war da gar nichts, das mich hätte zu Fall bringen können, und trotzdem hatte ich den Abflug des Jahres.

Das Warum

Wie bereits erwähnt, bin ich ein vorsichtiger Fahrer. Selbst wenn ich Enduro-Rennen fahre und mich dort einem noch höheren Sturzrisiko aussetze, stürze ich selten, und vor allem selten heftig. Doch auch wenn der Fokus auf das eigene Tun und die Strecke liegt und alle Sinne geschärft sind, ist DER Sturz nicht zu vermeiden – er wird kommen, unangemeldet. Also dann, wenn man zum Beispiel die Schlüsselstelle bereits hinter sich hat und die nächste Kurve anpeilt. Zack, gibt es einen Gratisflug in die Botanik.
Vielleicht sind solche Abflüge als Warnung oder Schutz vor schlimmeren Konsequenzen zu sehen. Vielleicht ist es mein Schutzengel dem es einfach reicht mir ständig auf die Finger zu schauen und mich deswegen ausbremst – vielleicht.

Möglicherweise hat es gar nichts mit solchen Dingen zu tun. Die Stürze sind lediglich auf mein Versagen zurückzuführen und ich hatte bisher einfach Schwein, dass ich mir nicht mehr als «nur» wehgetan habe.
Ob der Grundfür die Stürze nun persönliches Versagen oder die Schutzheilige der Mountainbiker war (gibts die überhaupt?), ist eigentlich egal. Die Abflüge zeigen jeweils ihre Wirkung – ich fahre danach langsamer und vorsichtiger – bis zum nächsten Crash. Dem bin ich mir sicher, aber ich gebe mir Mühe, dass es noch lange dauert und es dann bei Prellungen und Kratzer bleibt.