Blog: Der Bikeshop der Zukunft | Ride MTB

Blog: Der Bikeshop der Zukunft

Die Migros lanciert eigene Bikeshops, Onliner bauen hervorragende Bikes und die technische Entwicklung der Räder geht rasend schnell. Das sind Faktoren, die es für den klassischen Fahrradfachhandel schwer machen, am Ball – sprich am Kunden – zu bleiben. Kaufen wir deshalb in Zukunft unsere Bikes nur noch Online oder beim Migros?

Nein! Wir kaufen in Zukunft unsere Mountainbikes nicht beim Migros und auch nicht nur im Netz. Denn: Wir wollen Shops die szenig, cool und kompetent sind. Shops, mit Mitarbeitern, die den Sport kennen und leben. Die authentisch sind. Und da wird speziell Migros und Konsorten Mühe haben. Cumulus-Punkte sind ja schön und recht, aber schlussendlich ziemlich unsexy.

Kuratiere deine Ausstellung

Ein möglicher Ausweg aus dem Dilemma zwischen Online-Tiefstpreisen bei gleichzeitig guter Aussstattung und der Migros-Marketing Macht: Der Schweizer Bike-Dealer avanciert zum Kurator. Zum Kurator seiner eigenen Ausstellung. Darin sollen Exponate sein, die zum Anschauen, zum Darüber Reden, zum Haben Wollen und zum Kaufen anregen. Austauschbare Ware hat im Schweizer Bikeshop der Zukunft keinen Platz. Denn beliebige Ware gibt es andernorts bestimmt billiger – und Geiz ist ja bekanntlich geil.

Sei glaubwürdig

Die Glaubwürdigkeit des Fachhändlers spielt die grosse Rolle: Wer eine Rennfahrerkarriere hinter sich hat wird besonders gut bei der Kundschaft ankommen. Denn wer weiss besser, was schnell macht, als ein ehemaliger Rennfahrer?

Glaubwürdigkeit – oder neudeutsch auch Credibility genannt – erreicht man im Fahrradhandel zur Hauptsache mit technischer Kompetenz. Wer einmal online sein Bike gekauft hat, dann einen Garantiefall abwickeln wollte und das Bike mehrere Monate nicht mehr zu Gesicht bekam: Der wäre wohl gerne mit ein paar Franken mehr auf der Ausgabenseite im lokalen Bikeshop auf Einkauf gewesen, da dort die geballte Servicekompetenz versammelt ist. Auch gehen die gesparten Online-Franken nur noch auf die Nerven, wenn der Zusammenbau des Online-Bikes nicht gelingen will. Oder wenn man spätestens beim Suspension-Setup auch Fachwissen angewiesen wäre.

Mehrwert durch Zugehörigkeit

Glaubwürdigkeit geht auch auf anderem Weg. Stichwort Concept Stores. Dieser Fokus auf genau eine Marke zeigt, dass man auf diesen Hersteller schwört und sich so gut mit dieser einen Marke auskennt wie kein anderer. Es ist plausibel, das solche Geschäftskonzepte noch stärker um sich greifen und sich die Kunden vom spezifischen Einkaufserlebnis begeistern lassen. Ein Beispiel seit Jahren ist Thömus: Die Kunden haben Mehrwert durch Zugehörigkeit, der Anbieter profitiert von loyaler Kundschaft.

The only constant is change

Der Schweizer Bikeshop der Zukunft muss anpassungsfähig sein. Ein Konzept, das vor drei Jahren Bestand hatte und Gewinn brachte, kann sich atemberaubend schnell in eine Grotte für Ladenhüter wandeln. Ein paar Beispiele: Der altmodische Shop, der Scheibenbremsen für unnötigen Firlefanz hielt, ist längst von der Bildfläche verschwunden. Das Geschäft, das keine E-Bikes anbietet, muss sich seine Strategie und seine Glaubwürdigkeit sehr genau zurechtlegen, sonst bleiben die Bikes im Laden stehen. Der Shop, der Elektronik nicht abkann, wird innert weniger Jahren ins Billigsegment abstürzen. Denn ABS, elektronisch geregelte Fahrwerke und Connectivity sind nur ein paar Stichworte, die fallen müssen, um in Zukunft die Kundschaft abzuholen.

Biete Orientierung

Was der Schweizer Fachhändler und sein Kunde heute schon weiss: Der Online-Markt ist ein Dschungel. Es braucht Zeit, um sich zu orientieren. Es braucht Nerven, sich schlau zu machen, man ist dabei sein eigener Berater. Hier kann und muss der Fachhandel punkten: Als Dienstleister von Beratung und Orientierung. Der Kunde spart Zeit und riskiert keinen Fehlkauf. Ein guter Verkäufer kann seinen Kunden «lesen» und erkennt, was er braucht und macht entsprechend Vorschläge. Das kann enorm zeitsparend sein. Und Zeit ist Geld, und das ist ein gutes Argument gegen den zweifelsohne innovativen, preisgünstigen und ausstattungsstarken Online-Anbieter.

Der Weg ist das Ziel

Bei der Orientierung für den Kunden muss der Fachhandel an den Ball. Denn der Mountainbike-Markt ist heute stark segmentiert und unübersichtlich. Ein Bike-Neukauf kann für Unkundige derart verwirrend sein, das ein Neukauf schlicht nicht passiert. Sondern dann das Occasion-Bike vom Nachbar erstmal reichen muss. Hier kann der lokale Bike-Shop exakt punkten: Mit treffsicherer Beratung, mit Test-Events, mit einer Community, die Spass macht. Der Bike-Kauf ist das Ziel, doch der Weg des Kunden dahin gehört noch stärker in den Fokus als bisher.

Massenware: Raus aus dem Shop damit

Und noch ein Aspekt, der für Schweizer Fachhändler wichtig wird: Der Bikeshop der Zukunft sollte Unikate liefern, die Räder sollen massgeschneidert sein. Der Kunde soll nicht irgendein, sondern genau sein Bike erhalten. Sei das bei der Rahmenfarbe, der Schaltung, der Federung oder der Anpassung des Bikes via App und natürlich bezüglich Anatomie. Das einzigartige Velo schafft Erlebnis, Bindung und Mehrwert. Denn die Massenware liefert Migros, Chain Reaction und der preisaggressive Onliner, da mitzumachen macht spätenst ab jetzt schlicht keinen Sinn mehr. Wer sich diesen Herausforderungen als Shop-Betreiber stellt, kann sich auf eine anspruchsvolle aber sehr interessante Kundschaft freuen. 0815 war gestern.